Der lange dunkle Fünfuhrtee der Seele
interessiert den Kopf seines Hammers, fuhr mit dem Zeigefinger darüber und rieb ihn mit dem Daumen. Dann blickte er langsam auf, wieder wirbelte er einmal, dann ein zweites und ein drittes Mal herum und schleuderte das Wurfgeschoß in den Himmel. Doch diesmal hielt er sich mit der Rechten am Stiel fest, während er mit der Linken Kates Taille umfaßte.
KAPITEL 25
Die Zigaretten hatten ohne Zweifel die Neigung, sich an dem Abend für Dirk zu einem größeren Problem zu entwickeln.
Den größten Teil des Tages, bis auf den Moment, als er aufgewacht war, und bis auf den Moment, kurz nachdem er aufgewacht war, und bis auf den Moment, als er gerade dem sich drehenden Kopf von Geoffrey Anstey begegnet war, was man verstehen mußte, und bis auf die Zeit, als er mit Kate in dem Pub gewesen war, hatte er keine einzige Zigarette geraucht.
Nicht eine. Sie kamen in seinem Leben nicht vor, er hatte ihnen vollkommen abgeschworen. Er hatte sie nicht nötig. Er kam ohne sie aus. Sie setzten ihm bloß zu wie verrückt und machten ihm das Leben zur Hölle auf Erden, aber er beschloß, er komme damit zurecht.
Nun aber, gerade als er plötzlich beschlossen hatte, und zwar kühl, rational, in einer klaren, freimütigen Entscheidung und nicht bloß einer schwachen Kapitulation vor der Sucht, daß er schließlich doch eine Zigarette rauchen wolle, konnte er da eine finden? Nein, das konnte er nicht.
Die Pubs hatten zu dieser nächtlichen Stunde längst zu. Der bis spät nachts geöffnete Eckladen meinte offensichtlich was anderes mit »bis spät nachts«, als Dirk das tat, und obwohl Dirk ganz sicher war, daß er den Ladenbesitzer von der Rechtmäßigkeit seines Falles durch bloße linguistische und syllogistische Bravour überzeugen könne, war der verdammte Kerl nicht da, um sich dieser zu unterziehen.
Eine Meile weg gab es eine Rund-um-die-Uhr-Tankstelle, aber es stellte sich heraus, daß in ihr gerade ein bewaffneter Raubüberfall stattgefunden hatte. Die große Glasscheibe war gesplittert und um ein winziges Loch herum gesprungen, und Polizei schwärmte über das ganze Gelände. Der Tankwart war anscheinend nicht schwer verletzt, aber er blutete noch immer aus einer Wunde am Arm, schrie hysterisch und wurde auf Schock behandelt, und niemand wollte Dirk irgendwelche Zigaretten verkaufen. Man hatte einfach keine Lust dazu.
»Sogar während der deutschen Luftangriffe konnte man Zigaretten kaufen«, protestierte Dirk. »Die Leute waren stolz darauf. Selbst als die Bomben fielen und die ganze Stadt in Flammen stand, konnte man noch bedient werden. Mancher arme Kerl, der gerade zwei Töchter und ein Bein verloren hatte, fragte einen trotzdem: ›Normal oder Filter?‹, wenn man ihn drum bat.«
»Das würden Sie wohl auch tun«, murmelte ein junger Polizist mit weißem Gesicht.
»Es war der Geist der damaligen Zeit«, sagte Dirk.
»Hauen Sie ab«, sagte der Polizist.
Und das, dachte Dirk bei sich, war der Geist der heutigen Zeit. Er zog mißmutig ab und beschloß, eine Weile mit den Händen in den Taschen durch die Straßen zu streifen.
Camden Passage. Altertümliche Uhren. Altertümliche Kleider. Keine Zigaretten.
Upper Street. Altertümliche Häuser, die abgerissen wurden. Nichts deutete darauf hin, daß an ihrer Stelle Zigarettenläden errichtet wurden.
Chapel Market, nachts wie ausgestorben. Nasser Kehricht, laut flatternd. Pappkartons, Eierkartons, Papiertüten und Zigarettenschachteln - leere.
Pentonville Road. Grimmige Betonmonolithe, die die neuen Lücken in der Upper Street im Auge hatten, wo sie ihre grauenhafte Brut in die Welt zu setzen hofften.
King's Cross Station. Hier mußte es Zigaretten geben, Herrgott noch mal. Dirk eilte weiter, auf den Bahnhof zu.
Die alte Fassade des Bahnhofs ragte über die Umgebung auf, eine mächtige gelbe Backsteinwand mit einem Uhrturm und zwei riesigen Fensterbogen, hinter der die beiden großen Bahnsteighallen lagen. Davor befand sich die moderne eingeschossige Schalterhalle, die bereits viel heruntergekommener war als das hundert Jahre ältere Bahnhofsgebäude, das sie verdunkelte und ganz allgemein versaute. Dirk fiel wieder ein, wie damals, als die Pläne für die neue Schalterhalle ausgearbeitet wurden, die Architekten erklärt hatten, sie trete in einen erregenden und herausfordernden Dialog mit dem älteren Gebäude.
King's Cross ist eine Gegend, in der Menschen, Gebäuden, Autos und Eisenbahnzügen schreckliche Dinge widerfahren, besonders während man wartet, und wenn
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