Der lange Traum vom Glück
schlimmer allerdings war, dass er sich ein Szenario wie das, was sie eben beschrieben hatte, mühelos vorstellen konnte. Nur dass es nicht Ben war, mit dem sie das Gesetz brach, sondern er selbst, Nick LeBeck.
„Das ist nicht komisch, Freddie“.
Viel zu verletzt, um die gefährliche Schärfe zu registrieren, die in seiner Stimme mitschwang, fuhr sie ihn an: „Es geht dich nichts an, wohin ich gehe oder mit wem ich meinen Abend verbringe, genauso wenig, wie es mich etwas angeht, ob du deinen mit Scarlett O’Hara verbringst“.
„Lorelie“, presste er zwischen den Zähnen hervor. Es tat ihm nicht gut, daran erinnert zu werden, dass er den Abend weder mit Lorelie noch sonst jemandem verbracht hatte. „Und es geht mich etwas an. Ich bin verantwortlich für …“
„Nichts“, schnappte Freddie und versetzte ihm mit dem Fleischwender einen Schlag vor die Brust. „Für nichts, kapierst du? Ich bin volljährig, und wenn ich Lust habe, mir sechs Typen auf einen Schlag in einer Bar aufzugabeln, dann geht es dich auch nichts an. Du bist nicht mein Vater, und es wird allerhöchste Zeit, dass du endlich aufhörst, so zu tun, als wärst du es“.
„Ich bin nicht dein Vater“. Ein tiefes Brummen in seinen Ohren gemahnte ihn daran, dass er kurz davor stand, die Kontrolle zu verlieren. „Dein Vater weiß vielleicht nicht, was leichtsinnigen Frauen passiert. Und ganz sicher kann er dir nicht zeigen, was einer Frau wie dir passiert, wenn sie an den falschen Mann gerät“.
„Aber du kannst es“.
„Da kannst du sicher sein“. Mit einer schnellen Bewegung und so überraschend, dass sie es nicht mehr schaffte, ihm auszuweichen, riss er ihr den Fleischwender aus der Hand und schleuderte ihn in hohem Bogen durch die Küche. Als er gegen die Wand klatschte, riss sie erschrocken die Augen auf.
„Hör auf damit“.
„Wie willst du mich dazu bringen?“ Nick glitt geschmeidig wie ein Raubtier auf sie zu und drängte sie in eine Ecke. „Willst du um Hilfe schreien? Glaubst du, dass dich irgendjemand hört?“
Er hatte sie noch nie vorher so angeschaut. Niemand hatte sie je so begehrlich und mit solch unterschwelligem Zorn angeschaut. Angst stieg in ihr auf, und ihr Puls begann zu rasen.
„Mach dich nicht lächerlich“, sagte sie, verzweifelt um Würde ringend, als er sich mit den Händen rechts und links von ihr an der Wand abstützte. „Ich sagte, du sollst aufhören, Nick“.
„Was ist, wenn er nicht auf dich hört?“ Er kam noch näher, bis sich sein Körper hart an den ihren presste, bis sie die eiserne, kaum noch im Zaum gehaltene Kraft darin spüren konnte. „Vielleicht gelüstet es ihn nach einer Kostprobe – nach mehr als nur einer Kostprobe. Diese schöne Haut“. Er ließ sie nicht aus den Augen, während er ihr mit den Händen über die Arme fuhr. „Er wird sich nehmen, worauf er Lust hat“. Jetzt waren seine Hände auf ihren Hüften, kneteten sie. „Wie willst du ihn daran hindern? Was willst du dagegen tun?“
Freddie dachte nicht nach, fragte nichts. Ihre Angst wandelte sich in Erregung. Sie legte ihm die Arme um den Hals. Seine Augen wurden dunkler, und dann lag ihr Mund auf seinem.
Alle in ihr aufgestauten Fantasien entluden sich in diesem Kuss. Sie klammerte sich an Nick, schmiegte sich mit dem ganzen Körper eng an ihn und kostete die Hitzewelle, von der sie überspült wurde, bis zur Neige aus.
Er hielt sie so, wie sie es sich immer erträumt hatte. Fest, ganz fest. Sein Mund war leidenschaftlich, als er von dem ihren Besitz ergriff. Als sich seine Zähne in ihre Unterlippe gruben, wurde sie von einem Schwindel erfasst, dann drang seine Zunge in ihre Mundhöhle ein.
Verlangen. Sie konnte es schmecken. Das überreife, kurz vor der Explosion stehende Verlangen eines Mannes nach einer Frau. Sie hätten Fremde sein können, so neu war diese Entladung von Leidenschaft und Begehren. Sie hätten bereits ein Leben lang Liebende sein können, so fließend war die Choreografie der Bewegungen ihrer Hände, ihrer Münder und Körper.
Er verlor den Kopf. Verlor sich selbst. Ihr Mund war ein Festmahl – fruchtig, süß, herb –, und er war ausgehungert. Es gab so viel zu entdecken – ihren Duft und Geschmack und die Struktur ihrer Haut, so viel mehr als erwartet. Es war alles so viel reicher als in seinen Träumen. Alles öffnete sich für ihn, lud ihn ein, seinen Hunger zu stillen.
Er dachte nicht daran, wer sie waren oder wer sie gewesen waren. Er dachte an gar nichts, nur an die Flamme
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