Der Lange Weg Des Lukas B.
Messe blieb ihnen noch eine Weile Zeit. Der Pfarrer stand vor der Kirchentür und begrüßte die sich allmählich einfindende Gemeinde. Er sprach auch die Zimmerleute an.
»Ach, Sie sind Villeroys Arbeiter«, sagte er. »Ich dachte, Sie kommen aus Preußen?«
»Wir sind Preußen«, bestätigte der alte Mann.
»Kein Wunder, dass Sie der Wirt in die evangelische Kirche geschickt hat. Jedermann hier glaubt, dass alle Deutschen evangelisch sind.«
Bald kam der Wirt. Einen Schritt hinter ihm gingen seine Töchter und die schwarze Mamsell Rosalia. Die balancierte mit Geschick einen riesigen, mit Straußenfedern besteckten Hut auf dem Kopf.
»Haben Sie Ihre Kirche nicht gefunden?«, näselte der Wirt.
»Doch«, sagte Mathilde. »Aber zuerst sind wir in einen evangelischen Gottesdienst geraten.«
»Sie sind doch nicht etwa römisch-katholisch?«, fragte der Wirt ungläubig.
»Genau das sind wir.«
Zum ersten Male sahen sie den Wirt freundlich lachen. Wortreich erklärte er dem Pfarrer, dass sich ein waschechter Ire wie er gar nicht vorstellen könne, dass in Deutschland auch anständige Gläubige lebten. Er schien auch nichts mehr dagegen zu haben, dass Franek sich vor und nach der Messe mit Sprachbrocken, Gesten und Gebärden mit seiner Tochter Judith unterhielt.
Der Wirt fragte später den alten Mann, ob es ihm drei Dollar pro Tag wert sei, wenn er nicht mehr bei seiner Arbeit durch Missgünstige und Neugierige gestört werde. Der alte Mann zahlte das Geld. Als sie am Montag mit dem Zuschneiden des Holzes begannen, gelangte niemand mehr in ihre Nähe. Das Tor war hinter ihnen fest verriegelt worden. Drei Männer mit großen Hunden bewachten den Hügel und verjagten jeden, der sich zu nähern versuchte. Am achten Tag teilte sich die Gruppe. Der alte Mann begann mit fünf Leuten und dem Jungen das Taubenhaus zu errichten, während die andere Gruppe unter der Aufsicht von Döblin die restlichen Stücke zuschnitt. Als am neunten Tage die Sonne unterging, hoben sie alle gemeinsam das schwere Taubenhaus auf eine Holzsäule aus einem gewaltigen Stamm, der etwa eineinhalb Meter aus dem Boden ragte und den sie tief eingegraben hatten. Das Werkstück glich einem Spielzeughaus. Es war eine doppelgeschossige Villa mit einem sanft geneigten Satteldach. Rundum lief eine lichte Veranda, die nur an der Vorderfront durch eine geschwungene, u-förmige Doppeltreppe unterbrochen war. Die führte in das erste Geschoss und umschloss ein Bogenportal, durch das man in das Erdgeschoss des Hauses gelangen konnte.
In den Bogen hatte der Junge, nachdem er sich mit dem Lehrer beraten hatte, das Zeichen der Heilkunst, einen schlangenumwundenen Äskulapstab, geschnitzt.
Am frühen Morgen des zehnten Tages räumten die Zimmerleute alle Holzreste aus den Augen und schmückten den Platz rund um das Taubenhaus mit frischen, grünen Zweigen.
Gegen Mittag kamen drei Kutschwagen vorgefahren. Schwarze Diener klappten Treppenstufen herunter und öffneten die Schläge.
Die ganze Familie Villeroy hatte sich aufgemacht, um das Grundstück und die Probe der Zimmerleute zu besichtigen. Die Männer stellten sich mit ihren Handwerkszeugen auf.
Der alte Villeroy schritt zweimal rund um das Taubenhaus und sagte: »Ganz ordentliche Arbeit.«
»Herrlich! Wunderbar!«, schwärmten die Villeroy-Frauen. »Sieh doch, die zierliche Veranda, die kunstvolle Treppe!«
»Typisch weibliche Art etwas zu beurteilen«, tadelte Villeroy. »Außen hui! Aber wie sieht das Haus innen aus? Schließlich muss man in einem Haus wohnen und wird es schnell verwünschen, wenn man es nur von außen schön findet.«
Der alte Mann hatte nicht alles verstehen können, was Villeroy gesagt hatte. Mathilde erklärte ihm den Sinn seiner Worte. Mit einer Handbewegung gab er den Zimmerleuten ein Zeichen. Jeweils zwei Männer traten an die vier Seiten des Hauses, lösten einige Knebel und Keile und schoben auf einen Zuruf des alten Mannes die Fassaden, die wie auf Schienen glitten, nach unten. Die Innenstruktur wurde sichtbar. Jeder Balken, jede Wand, jeder Boden war mit größter Sorgfalt gearbeitet. Die Damen fuhren mit dem Finger über das geglättete Holz und brauchten nicht zu befürchten sich einen Splitter unter die Haut zu reißen.
Villeroy betrachtete das Haus lange und genau. Er zählte in jedem Geschoss acht Zimmer, die große Eingangshalle, die sich durch beide Geschosse zog, nicht mitgerechnet. Er ging zu seiner Schwiegertochter und zu seinem Sohn und redete leise mit
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