Der Lange Weg Des Lukas B.
gut verstehen können. Dennoch wollte der alte Mann Mathilde als Dolmetscherin mit zu Villeroy nehmen.
»Kann ich nicht auch mitgehen?«, bettelte der Junge und der alte Mann erlaubte es.
Sie fanden das Haus leicht. »Gute Arbeit«, lobte der alte Mann und zeigte auf die schöne Giebelfront des Hauses. Es war etwas vernachlässigt und die Farbe begann bereits abzublättern.
Er zog vor dem Eisentor an einer Glocke. Ein alter, gebrechlich wirkender Neger in einem eleganten braunen Anzug öffnete ihnen das Tor. »Wir möchten Mister Villeroy sprechen«, sagte Mathilde. »Es geht um das Haus, das er sucht.«
Der Diener verschloss das Tor und verschwand. Doch dann kam er zurück und winkte die Besucher herein.
Von einer geräumigen Halle aus führte eine Treppe ins Obergeschoss. »Einen Augenblick bitte«, sagte der Neger. Nach einigen Minuten öffnete er weit eine Zimmertür und ließ sie eintreten.
Wie beim Baron von Knabig, dachte der Junge.
Villeroy, wohl knapp über fünfzig Jahre, war ein sehr großer, stiernackiger Mann. Er stand nicht aus seinem Sessel auf, sondern musterte die drei eingehend eine ganze Weile. Sein blasses, kantig geschnittenes Gesicht zeigte keinerlei Regung, als er fragte: »Nun, was gibt’s?«
Der alte Mann ließ Mathilde vortragen, was der Wirt ihnen erzählt hatte.
»Wer weiß, was Sie können?«, zweifelte der Pflanzer.
»Wir bauen Ihnen ein Haus, wie es schöner keins in dieser Stadt gibt«, sagte der alte Mann eifrig.
»Etwas können Sie sicher«, lachte Villeroy. »Sie können prahlen.«
Er stand auf und rief nach dem Diener. Der brachte ihm das Jackett. »Kommen Sie mit. Ich zeige Ihnen einen Platz, auf dem man vielleicht ein Haus bauen sollte.«
Obwohl der Weg nicht weit war, fuhren sie mit einer bequem gefederten Kutsche. Ein wenig auf den Rand der Stadt zu lag ein flacher, mit lockerem Baumbestand bewachsener Hügel, der rings von einem hohen Zaun umgeben war. Sie stiegen aus und gingen durch das Tor. »Das Holz liegt bereit«, sagte Villeroy und deutete auf einen Berg aufgeschichteter Stämme. »Ich wollte mir eigentlich ein Stadthaus bauen lassen. Aber die Zeiten haben sich gewandelt.«
Der alte Mann zog sein Beil aus dem Gürtel und hieb von einigen Stämmen Späne ab.
»Gutes, abgelagertes Eichenholz«, lobte er.
»Stimmt«, sagte der Pflanzer. »Schon vor dem Kriege geschlagen. Aber was weiß ich, was Sie wirklich können. Wo stehen die Häuser, die Sie gebaut haben? Ich glaube, ich halte mich lieber an die Zimmerleute, die hier leben. Ist zwar auch nicht weit her damit, aber ich weiß, was ich an ihnen habe.«
»Wir könnten Ihnen zeigen, was wir schaffen können«, bot der alte Mann an.
»Und wie sieht eine solche Probe aus?«
»Das möchte ich noch nicht verraten. Aber erlauben Sie uns hier auf dem Grundstück etwa zehn Tage zu arbeiten, ohne dass uns jemand belästigt. Dann mögen Sie kommen und sehen, mit wem Sie es zu tun haben, Mister Villeroy.«
»Ich muss sowieso dringend nach ›Yellow Rose‹, zu meiner Plantage, zurück. Ich gebe Ihnen die Chance. In zehn Tagen bin ich wieder hier. Ich werde meinen Sohn und meine Schwiegertochter mitbringen. Schließlich geht es ja um das Haus, in dem sie leben sollen.«
Die Zimmerleute berieten hin und her, was sie bauen sollten, um einen überzeugenden Beweis ihres Könnens zu liefern. Sie schlugen einen hohen Aussichtsturm vor oder ein schönes Portal. Der alte Mann aber schüttelte zu allen Vorschlägen den Kopf. Dann sagte er: »Piet, Sie können sich als Quartiermeister nützlich machen. Mieten Sie für zunächst neun Nächte einen Schlafplatz für uns.« Dann setzte er sich mit Stift und Papier in eine Nische der Gaststube an einen Tisch und ließ sich weder durch das Mittagessen noch durch den Lehrer stören, der ihm berichten wollte, was er erreicht hatte.
Erst gegen sechs Uhr, als der Wirt das Abendessen von der Negerin Rosalie und seinen Töchtern aus der Küche heraustragen ließ, kam er aus seiner Nische hervor. »Nach dem Essen zeige ich euch den Plan«, sagte er und ließ es sich gut schmecken. Dann heftete er mit seinem Messer eine Zeichnung an die Holzwand der Gaststube.
Die Zimmerleute drängten sich, um zu sehen, was der alte Mann ausgebrütet hatte. »Das ist ja ein ganzes Haus«, rief Döblin erstaunt. »Wir schaffen doch nicht ein ganzes Haus in zehn Tagen.«
»Schau genauer hin«, lachte der alte Mann.
»Soll ja nur ein Meter und dreißig hoch sein«, sagte Franek.
Nun sahen es alle.
Weitere Kostenlose Bücher