Der Lange Weg Des Lukas B.
Nigger, Mister«, sagte Mr. Turber scharf.
Der alte Mann erhob sich. Mr. Turber reichte ihm gerade bis an die Schulter. »Entweder wir essen gemeinsam oder wir gehen gemeinsam«, sagte er fest.
»Lassen Sie’s gut sein, Mister«, lenkte Mr. Turber ein. »Ich habe sowieso keinen Hunger. Sie sind eben nicht von hier. Wie können Sie das verstehen? Aber das will ich Ihnen sagen, ich besitze einen Windhund. Wenn ich dem das Fressen zusammen mit einem Köter geben würde, er würde lieber verhungern, als mit dem Bastard aus einem Napf fressen.«
»Der Unterschied ist der, Mr. Turber, dass alle Menschen denken können und wissen sollten, dass sie alle aus Gottes gleichem Hauch lebendig geworden sind.«
»Reden Sie, was Sie wollen. Ich behandle meine Nigger gut. Zahle ihnen den richtigen Lohn. Wollen sie gehen, dann gehen sie, wollen sie bleiben, dann bleiben sie. Aber es ist am besten, wenn Weiße und Schwarze hübsch getrennt leben. Jeder auf seine Weise, Mister.«
Er winkte Caleb Miller zu und ging davon.
In Jackson gab es noch ein paar kleinere Aufträge, allerdings nur Reparaturen. Am 20. Dezember war alles geschafft. Es fegte ein eisiger Regen über Stadt und Land, als sie sich verabschiedeten. Caleb Miller schenkte dem alten Mann einen schönen halblangen Biberpelz. Trotz der Niederlage war sein Sägewerk landauf, landab bekannt geworden. Die anderen Zimmerleute hatten in Jackson immerhin so viel verdient, dass sie sich ebenfalls Pelze kaufen konnten.
»Es ist früh kalt in diesem Jahr«, sagte Jeremy.
»In Liebenberg liegt um diese Zeit schon meterhoch der Schnee und die Kälte lässt die Dachsparren knarren«, sagte der Junge. Was er nicht sagte, das war, dass er oft daran denken musste, wie er mit Lisa Warich übers Eis geglitten war und wie er ihre Schulter berührt hatte.
Vier Tage und Nächte goss es ohne Unterlass. Der Eiswind aus dem Norden mischte immer häufiger Schneewolken unter den Regen. Die Wege verloren sich im Morast und die Fahrspuren waren kaum noch auszumachen. Tief sanken die Räder ein. Die Tiere, von Jeremy unablässig angefeuert, quälten sich und legten sich mächtig ins Zeug. Oft genug mussten die Männer vom Wagen steigen und in die Speichen greifen.
Die Vorräte, die jeder für sich mitgenommen hatte und die für die Zweitagesfahrt bis Canton berechnet gewesen waren, schmolzen zusammen. Am 24. Dezember schafften sie nur wenige Meilen. Die Maultiere und die Pferde waren völlig erschöpft und blieben nach immer kürzeren Wegstrecken verschwitzt und mit hängenden Köpfen stehen.
In einer Verschnaufpause sagte der alte Mann: »Wir legen am besten zusammen, was wir noch an Nahrungsmitteln haben. Wenn wir nicht sparsam damit umgehen und einteilen, dann lernen wir im reichsten Land der Welt den Hunger kennen.«
»Ich kenne ihn bereits«, klagte Hugo Labus. »Mein Magen knurrt und mein Beutel ist schon seit heute Morgen leer.«
»Das wäre ja noch schöner!«, protestierte der dicke Grumbach. »Ich habe in Jackson mein Geld für Speck und Brot hergegeben. Jetzt soll ich mit denen teilen, die zu geizig gewesen sind, um genügend vorzusorgen? Sollen sie doch ihre Dollars fressen. Ich jedenfalls gebe nichts her.«
»Recht hat er«, stimmte Gerhard Warich zu. Otto Sahm sagte: »Jeder ist sich selbst der Nächste.«
Lenski und der Lehrer nickten.
»Macht doch, was ihr wollt!«, grollte der alte Mann erbost.
Meinen Apfel kriegt keiner, dachte der Junge. Den spare ich mir für morgen auf. Morgen ist Weihnachten.
»Wir müssen weiter«, mahnte Jeremy. »Es muss hier in der Gegend eine Pflanzung geben mit einem Herrenhaus und an die zwanzig Negerhütten. Bis dahin werden wir es schaffen. Dort können wir genug zu essen bekommen und uns endlich wieder an einem Feuer aufwärmen.«
»Wir laufen hinter den Wagen her und halten uns in ihrem Windschatten«, sagte der alte Mann.
»Ist auch nötig, Massa«, stimmte Jeremy zu. »Die Tiere sind ziemlich am Ende.«
Der Junge spürte den Regen durch die Jacke dringen. Zuerst wurde die Haut an den Schultern nass, dann klebte das durchnässte Hemd auf seinem Rücken. Es war beschwerlich, durch den Matsch zu gehen. Die Sohlen saugten sich fest. Mathildes Schuh war einmal im Schlamm stecken geblieben und sie hatte Mühe gehabt ihn wieder zu finden.
»Meine Hände und meine Füße sind eiskalt«, sagte der Junge zu Andreas Schicks, der neben ihm ging. »Aber mein Körper, der schwitzt.«
»Halt die Schnauze«, schnaufte Andreas.
Jeremy
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