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Der Lange Weg Des Lukas B.

Der Lange Weg Des Lukas B.

Titel: Der Lange Weg Des Lukas B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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mountain,
    that Jesus Christ is born.«
    Die anderen fielen ein, wenn sich dieser Kehrreim wiederholte, und bald wiegten sich alle im Rhythmus der Melodie.
    »Mehr«, forderte der Lehrer, als Jeremy verstummte. Und sie sangen, was die Schwarzen seit langem bei der Arbeit auf den Feldern gesungen hatten:

    »The Virgin Mary had a baby boy,
    and they said, his name was Jesus.«
    oder:

    »Wasn’t that a mighty day,
    when Jesus Christ was born?«
    und schließlich:

    »There’s a star in the East
    on Christmas morning.«
    Als es still wurde, fing Andreas Schicks an zu singen. »Es ist ein Ros entsprungen . . . « Sie lauschten seiner ruhigen, hellen Stimme und fielen erst bei der zweiten Strophe ein.
    Die Gedanken des Jungen flogen weit davon. Er dachte an seine Mutter, an die kleinen Geschenke, die sie jedes Jahr für ihn hatte. Sie würde jetzt den Braten in den Ofen schieben, damit er am ersten Feiertag knusprig und braun auf den Tisch kam.
    Auf der Schwelle zum Schlaf zogen Gesichter an ihm vorbei, wurden ganz klar und zerflossen wieder.
    Warichs Lisa mit aufgeflochtenem Haar sah er und Katinka und Anna. Die Großmutter winkte ihm zu. Seinen Vater erkannte er nur undeutlich.

Blank gefegt, zeigte sich der Himmel am nächsten Morgen. Kein Wölkchen war zu sehen. Die Luft roch frisch und rein gewaschen. Dennoch dachten die Zimmerleute zunächst nicht daran aufzubrechen. Die Reste der Nahrungsmittel reichten für ein gutes Frühstück. Jeremy hatte dem Neger eindringlich zugeredet, jedes Kind müsse nach seiner Geburt schnell getauft werden, damit die bösen Geister ihm nichts anhaben könnten. Josef war damit einverstanden. Allerdings bestand er darauf, dass alle Zimmerleute und auch die Frauen die Taufpaten sein sollten. Denn schließlich seien sie die Ersten gewesen, die nach der Geburt des Jungen als Gäste ins Haus gekommen seien und ihr Brot mit ihnen geteilt hätten.
    »Aber das ist unmöglich«, widersprach Mathilde, als sie von dieser Sache hörte.
    »Warum ist es unmöglich, Missus Mathilde?«, fragte der Neger.
    »Josef, bei uns bekommt jedes Kind den Vornamen des Taufpaten oder sein Name wird wenigstens an den Vornamen des Kindes angehängt.«
    »Warum macht ihr das?«
    »Damit der heilige Namenspatron des Taufpaten im Himmel die Hand über das Kind hält.«
    »Und ein dritter oder ein vierter Name, das geht nicht?«
    »Doch, das wird auch gelegentlich gemacht«, musste Mathilde zugeben. »Ich glaube, unser König hat sogar fünf Vornamen.«
    »Na, siehst du. Der Junge wird eben die Namen aller seiner Taufpaten bekommen.«
    »Auf all unsere Namen willst du ihn taufen lassen, Josef?«
    »Bei so vielen Namenspatronen wird ihm das Leben sicher gut gelingen. Und stell dir vor, Missus Mathilde, wenn er dann alt ist und stirbt, wie die Heiligen ihn empfangen werden!«
    »Aber, Josef, wie willst du ihn rufen? Stell dir vor, er soll des Mittags an den Tisch kommen. Bis du all seine Namen genannt hast, bist du heiser und das Essen ist angebrannt.«
    »Mathew soll sein erster Name sein. So werden wir ihn nennen.«
    »Mathew? Aber wir haben doch gar keinen Mathew in unserer Kolonne.«
    »Du, Missus Mathilde, du sollst den kleinen Mathew auf dem Arm zur Taufe tragen. Mathilde und Mathew, das klingt doch ähnlich, oder?«
    »Na ja«, sagte Mathilde, freute sich aber sehr darüber, dass auch sie Patin werden sollte.
    Die Taufe verlief sehr feierlich. Mathilde steckte aus ihrem Brautkleid ein langes Taufgewand zusammen. Das Taufbecken war ein mit grünen Kiefernzweigen geschmückter Zuber. Sogar eine Kerze hatte Gustav Krohl aus seinem Gepäck ausgegraben.
    Sie bauten alles draußen vor der Hütte auf und bildeten einen Kreis. Lenski sollte das Kind taufen. Er machte das mit großem Ernst. »Empfange das weiße Kleid«, sagte er. »Bewahre es ohne Makel. Und wenn du einst mit allen Heiligen zu Tische sitzt, dann wird die Freude groß sein.«
    Er zündete die Kerze an und sprach: »Empfange das warme Licht. Es leuchte dir auf deinen Wegen. Und du wirst selbst leuchten und anderen Licht sein.«
    Dann schöpfte er aus dem Zuber mit der hohlen Hand Wasser und goss es über den schwarzen Krausflaum des Kinderkopfes, zeichnete mit dem Daumen langsam und groß ein Kreuz auf die Stirn des Täuflings und rief laut: »Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Dein Name soll sein: Mathew-Friedrich-Lukas-Gerhard-Otto-Hugo-Gustav-Wilhelm . . . «, und ohne zu stocken, brachte er die lange

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