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Der Lange Weg Des Lukas B.

Der Lange Weg Des Lukas B.

Titel: Der Lange Weg Des Lukas B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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ihr? Was wollt ihr hier?«
    »Dies sind Zimmerleute. Wollen nach Canton. Aber es ist kaum ein Durchkommen auf den Wegen. Gleich morgen ziehen wir weiter.«
    Lenski legte Feuerholz nach.
    »Ist gut«, sagte der Neger. »Ist ja genug Platz in der Hütte.«
    »Wir müssen die Tiere hereinholen«, sagte Jeremy, als sie die Pelze zum Trocknen an den Holzwänden aufgehängt hatten und die Männer sich rund um die Feuerstelle zu lagern begannen.
    Die Pferde schritten vorsichtig durch das Türloch. Die Mulis brauchten Jeremys Zuspruch, bevor sie die Hufe über die Schwelle setzten.
    Jetzt wurde es eng in dem einen Raum.
    »Was ist mit euch?«, fragte Jeremy den Neger. »Was sucht ihr hier an diesem öden Platz?«
    »War nicht immer öde«, antwortete der Neger. »Ich war früher hier Sklave bei Old Massa Hero. Bin hier geboren. Old Massa hat mich im Krieg nach Texas verkauft. Ich dachte, ich finde meine Mama noch hier. Wollte vielleicht farmen. Wir sind gestern hier angekommen. Aber ist niemand mehr hier. Alles zerstört.«
    Er schwieg eine Weile.
    Der dicke Grumbach wickelte Speck und Brot aus der Zeitung und begann zu kauen.
    Alle spürten, wie hungrig sie waren, und die noch etwas zu essen hatten, suchten die Reste ihrer Vorräte zusammen. Mathilde hängte einen Topf mit Wasser über das Feuer. »Der Kaffee wenigstens reicht für alle«, sagte sie.
    »Habt ihr für meine Frau einen Bissen Brot übrig?«, fragte der Neger. »Wir dachten, wir treffen auf unsere Leute. Früher gab es hier für uns zu Weihnachten genug zu essen. Old Massa Hero schenkte uns ein fettes Schwein, genug Bohnen und frisches Brot und Buttermilch. Weihnachten war der einzige Festtag im Jahr, an dem wir nicht zu arbeiten brauchten.«
    »Wir haben selber nicht genug«, antwortete Grumbach verdrießlich und Otto Sahm deckte seinen Hut über sein Brot. Sie saßen mit finsteren, verschlossenen Gesichtern, schwiegen und schienen bereit das Messer zu ziehen, wenn jemand nach ihrem Brot greifen würde.
    »Mir wird warm«, sagte die junge Negerin leise zu ihrem Mann. Behutsam nahm er die Decke von ihren Schultern. Sie trug ein blassblaues Kleid. Das Kind auf ihrem Arm, ein dicker glatthäutiger Säugling, schlief ruhig und zufrieden.
    »Sie hat ihn vor ein paar Stunden erst geboren«, sagte der Neger. »Es ist ein Junge.« Sie lächelte zaghaft.
    Niemand sagte mehr etwas. Die Wärme breitete sich wohlig aus. Die Tiere schnoberten ab und zu und wendeten ihre Köpfe den Fremden zu. Zum Schlafen legte sich keiner. Alle schauten auf die Negerin und ihren Säugling. Der Mann hatte sich neben sie gehockt. Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter.
    Es war, als ob von der jungen Familie, von dem Kind in den weißen Tüchern, irgendetwas ausstrahlte, was in ihre Herzen traf.
    Auf einmal stand Lenski auf, brummelte sich etwas in den Bart und kramte in seinem Beutel. Er ging die zwei Schritte zu der Frau und dem Kind hinüber und legte einen Kanten weißes Brot und ein Stück Käse vor sie auf den Boden. »Ist Weihnachten heute«, sagte er verlegen.
    Und Jeremy gab einen Maiskolben und der Junge den Apfel. Und mit einem Male nahm einer nach dem anderen alles, was er noch zu essen hatte, und legte es in die Mitte der Hütte auf den Boden. Als Letzter erhob sich der dicke Grumbach. Er hatte sich ein viel zu großes Stück Speck in den Mund geschoben und würgte daran. Er sah ein wenig wild aus, als er seinen Sack mit Brot und Fleisch und Obst an den Zipfeln packte und ausschüttete. »Ist ja Weihnachten heute«, sagte er mit vollem Munde. Aber alle verstanden ihn.
    Die Härte war aus den Gesichtern verschwunden. Sie waren fröhlich und begannen miteinander zu reden und erzählten vom Weihnachtsfest bei ihnen daheim, dem fetten Gänsebraten, dem frischen Bier und den Nüssen und dem Backwerk, und ihre Augen begannen zu leuchten. Lenski ging noch ein paar Schritte vor die Hütte.
    Ganz aufgeregt kehrte er nach einer Weile zurück und sagte feierlich: »Der Regen hat aufgehört, ihr Männer. Der Himmel ist klar und ein Stern funkelt hell.«
    »Wie damals«, sagte der alte Döblin.
    Wer eigentlich als Erster in dieser Nacht den Neger Josef und seine Frau Mirjam genannt hatte, wusste später niemand mehr zu sagen. Aber die beiden lachten nur glücklich und widersprachen nicht.
    Bratgeruch hing in der Luft und mischte sich mit dem Duft von starkem Kaffee.
    Jeremy begann zu singen:

    »Go, tell it on the mountain,
    Over the hills and everywhere.
    Go, tell it on the

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