Der Lange Weg Des Lukas B.
Schlaf auch Kräfte bringe, und scheuchte sie früh in die Wagen.
Die Kirchen waren am nächsten Morgen brechend voll. Abkömmlinge der Franzosen, der Spanier, Kreolen, eingewanderte Iren und Polen, dazu ein paar Neger, begleiteten nach der Messe die Zimmerleute. Um Caleb Miller scharten sich die, die aus den protestantischen Kirchen kamen, Nachkommen der Engländer und skandinavischen Einwanderer zumeist. Dazu die Leute aus dem Osten der Staaten.
Kurz nach elf Uhr trafen die beiden Gruppen auf Calebs Holzplatz ein. Die Fichte lag auf den Böcken, die Eiche vor dem Sägeblatt. Caleb erläuterte die Regeln. Es sei aus der Mitte der Stämme jeweils ein Brett von zwei Zoll Stärke zu sägen. Seine Dampfsäge wolle es gegen die Menschenkraft von zwölf Zimmerleuten aufnehmen. Wie es im Einzelnen zugehen solle, das sei jeder Partei überlassen. Es gehe um nichts anderes als um die Ehre. Drei ehrenwerte Bürger aus der Stadt hätten sich bereit erklärt die Schiedsrichter zu sein. Er deutete auf ein Podium, das er am Samstag aus Bohlen hatte errichten lassen. Vor der aufgespannten Flagge der Union hatten drei ältere Männer in eigens herbeigeschafften Sesseln Platz genommen. Sie sahen in ihren hohen Seidenzylindern, den schwarzen Gehröcken und den weißen Seidentüchern um den Hals vertrauenswürdig aus.
»Alles bereit?«, rief einer der Männer.
»Alles klar«, schrien die Heizer.
»Alles klar«, nickte der kleine Maschinist und schwenkte die Ölkanne.
»Alles klar«, sagten die Arbeiter.
»Springt hoch«, befahl Döblin. An jedem Ende der Fichte kletterten zwei Zimmerleute auf den Bock und setzten die Sägen an. Unter dem Stamm fasste jeweils ein Zimmermann den unteren Griff an den Sägen.
»Wir sind bereit«, rief der alte Mann.
Der Schiedsrichter, der auf dem mittleren Sessel saß, stand auf, hob eine Pistole und zählte langsam: »Eins, zwei und los!«, und bei los schoss er in die Luft.
Die Zimmerleute rissen die Sägen herunter und herauf und die Sägeblätter waren schon im Holz verschwunden, als die Dampfmaschine zu stampfen begann und die mächtige Säge hin- und herriss.
Jeder konnte es bereits nach wenigen Minuten sehen, die Dampfsäge begann den Vorsprung aufzuholen, ehe die Zimmerleute an jeder Seite einen Meter weit in das Holz hineingesägt hatten. Einmal hatte Döblin schon »Wechsel« gerufen. Einen Augenblick standen dann an jeder Seite des Stammes vier Männer oben und zwei unten. Döblin zählte laut und bei »fünf« ließen die ersten Mannschaften die beiden Sägen los und sprangen weg. Die anderen fassten die Griffe. Die Sägeblätter blieben bei diesem fliegenden Wechsel keinen Augenblick stehen. Die Zuschauer, die sich, genau wie Caleb vermutet hatte, zu Hunderten eingefunden hatten, klatschten zum ersten Mal Beifall. Doch es mischte sich Mitleid und Spott in die Zurufe.
Die Dampfsäge war schneller, das konnte jedermann sehen. Die Zimmerleute hatten erst an jeder Seite des Stammes etwa eineinhalb Meter eingesägt, da lief die Maschine bereits auf die Fünfmetermarke zu.
»Aufgepasst!«, schrie Döblin. »Jetzt kommt der große Wechsel.« Wieder zählte er laut bis fünf. Der Junge und der Lehrer hielten an jeder Seite weitere zwei Sägen bereit und die Zuschauer fragten sich, was das bedeuten sollte. Bei »fünf« zogen die beiden Dreiermannschaften die Sägen aus dem Spalt. Zunächst wurde an jeder Seite eine neue eingeführt. Etwas Zeit ging dabei verloren. Zudem wurde jetzt jede Säge oben auf dem Bock nur von einem Zimmermann gefasst, statt von zweien wie bisher.
»Sie werden schon müde«, schrie ein Mann und freute sich. Er hatte sein ganzes Geld auf den Sieg der Maschine gesetzt. Aber da sprangen zwei weitere Zimmerleute auf den Bock, setzten an jedem Stammende eine neue Säge an und begannen hinter den anderen her zu gleicher Zeit den zweiten Schnitt zu sägen.
Vier Leute oben an den Sägen und vier unter dem Stamm streckten und beugten sich und die vier Sägen fraßen sich unaufhörlich weiter in den Stamm hinein. Für die restlichen vier Männer gab es dann stets eine kleine Pause. Sie krochen in den Wagen und legten sich lang hin. Jeremy rieb sich die Hände mit Olivenöl ein und lockerte ihre Muskeln durch eine kräftige Massage. Er war der Einzige, der den ganzen Wettkampf über ohne Pause arbeitete. Auf Döblins Kommando vollzogen sich regelmäßig die Wechsel im Abstand weniger Minuten.
Es war jetzt für die Zuschauer unübersichtlicher geworden, welche Partei
Weitere Kostenlose Bücher