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Der Lange Weg Des Lukas B.

Der Lange Weg Des Lukas B.

Titel: Der Lange Weg Des Lukas B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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führte die Maultiere am Halfter und redete ihnen gut zu.
    »Findest du den Weg, Jeremy?«, fragte der alte Mann ihn, als es Nachmittag wurde und die Dunkelheit aus den Wäldern kroch.
    »Ja, Massa. Ich kenne den Weg. In einer Stunde etwa müssen wir das Haus sehen.«
    Diese Auskunft belebte die Kräfte der Männer. Sie stapften jetzt neben den Wagen her, legten ihre Hände gegen die Holme und schoben ein wenig. Es ging schneller vorwärts. Die Stunde war längst vorüber und es war fast dunkel geworden, da hörten sie Jeremy rufen: »Da ist das Tor! Wir haben es geschafft!«
    Das Gittertor hing schief zwischen den mächtigen Mauerpfeilern. Der befestigte Weg führte genau auf den düsteren Schatten eines Hauses zu. Aber kein Fenster war erleuchtet, kein Hund schlug an. Nichts regte sich. Jeremy hielt die Tiere an. Die Männer liefen zu ihm nach vorn. Er stand neben dem Muli, hatte den Kopf in das schweißnasse Fell des Tieres gedrückt und schluchzte verzweifelt.
    Alle sahen es. Hochauf ragte der Kamin. Die Mauern waren zer­bors­ten und vom Brande geschwärzt. Buschwerk wuchs aus den Fensterhöhlen. Der Wind pfiff um die Ecken der Ruine.
    Der Junge hockte sich erschöpft nieder, ohne auf den Straßendreck zu achten, und lehnte sich mit dem Rücken gegen ein Rad des Wagens. Georgia beugte sich zu ihm hinunter und flüsterte, als ob sie sich davor fürchtete, mit lauten Worten eine neue Hoffnung zu verscheuchen: »An jedem Platz, an dem ein Herrenhaus steht, gibt es auch Hütten für Neger. Dort, weiter hinten vielleicht.«
    Der Junge raffte sich auf und rief: »Die Hütten! Die Schwarzen, die hier wohnen, haben doch Hütten. Sie müssten dort hinter dem Herrenhaus zu finden sein.«
    »Lauf zu und schau nach, ob die verschont geblieben sind«, sagte der alte Mann müde.
    Georgia lief dem Jungen voran, um das niedergebrannte Haus herum. Die befestigte Straße führte an den Trümmern der Wirtschaftsgebäude vorbei. Etwas abseits sahen sie die Mauerreste eines großen Schuppens.
    Zögernd folgte der Junge dem Mädchen. Es war ihm unheimlich und es kam ihm vor, als ob sich hinter jedem Steinhaufen etwas bewegte. Er zeigte auf den Schuppen und sagte: »Alles ist zerstört. Lass uns umkehren.«
    »Nein, da haben sie früher das Zuckerrohr gelagert und die Melasse gekocht«, antwortete Georgia. »Das sind nicht die Hütten.« Das überkrautete Steinpflaster endete in einem versumpften Weg. »Hier könnte der Platz für die Sklaven gewesen sein«, vermutete sie.
    Sie fasste den Jungen bei der Hand und zog ihn mit sich. Ihre Hand ist warm, dachte der Junge. Zwei Schattenreihen von Schornsteinen stachen in den Himmel. Die Holzhütten, die einst den Weg gesäumt hatten, waren verbrannt, zerfallen.
    »Dort«, sagte Georgia und deutete nach vorn.
    Die dunklen Umrisse eines kleinen Hauses zeichneten sich am Ende des zerstörten Anwesens ab. Sie näherten sich vorsichtig. Die Fensterlöcher waren mit Brettern vernagelt und die Tür fest geschlossen. »Ich glaube, es kommt Rauch aus dem Kamin«, sagte Georgia ängstlich.
    »Komm, wir holen die anderen«, flüsterte der Junge.
    Sie begannen zu rennen und berichteten, was sie entdeckt hatten. »Wenigstens ein Dach über dem Kopf«, sagte Mathilde erleichtert.
    Sie zogen bis vor die Hütte.
    »Ist hier jemand?«, rief Jeremy und klopfte gegen die Tür. Er bekam keine Antwort.
    Der alte Mann stieß die Tür auf. Alle drängten ihm nach. Die Feuerstelle verriet, die Hütte war bewohnt. Die niedergebrannte Glut zeigte, dass die Menschen nicht weit sein konnten.
    »Ist hier jemand?«, fragte Jeremy noch einmal in die Dunkelheit hinein. Er ergriff einige von den dürren Ästen, die an der Wand aufgestapelt waren, legte sie auf die Glut und entfachte mit seinem Atem vorsichtig das Feuer. Die Flammen züngelten empor, schlugen hoch und leuchteten den Raum aus.
    In der Ecke hockten sie. Eine sehr junge, magere Negerin hielt ihren Säugling gegen die Brust gepresst und starrte die Eindringlinge aus großen Angstaugen an. Der Mann, ein breitschultriger Hüne, stand seitlich hinter ihr, leicht vorgebeugt, hatte die eine Hand auf die Schulter der Frau gelegt und in der anderen hielt er drohend erhoben ein Beil.
    »Leg das Beil zur Seite, Bruder«, sprach Jeremy ihn an. »Wir wollen nichts von dir. Wir suchen ein Dach und ein wenig Wärme am Feuer.«
    Einen Augenblick noch blinkte die Beilschneide schlagbereit über dem Kopf des Negers, dann aber ließ er den Arm sinken und fragte: »Wer seid

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