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Der Lange Weg Des Lukas B.

Der Lange Weg Des Lukas B.

Titel: Der Lange Weg Des Lukas B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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fasste, wurde den Reisenden heißer Kaffee, ofenwarmes Brot und Eier mit Speck angeboten. Der alte Mann hörte an der Sprache, dass der Wirt ein Deutscher war, und begrüßte ihn.
    »Mensch, bist du auch aus Ostpreußen?«, fragte der Wirt. Er hatte Zeit sich mit dem alten Mann und Döblin zu unterhalten, denn an die zehn Frauen rannten und bedienten die Gäste.
    Die beiden Männer erfuhren, dass dieses Frühstücksangebot für die Reisenden seinen Mann besser ernährte als eine Goldmine.
    »So lange es gut geht«, sagte der Wirt zum Schluss.
    »Wieso? Gefrühstückt wird immer.«
    »Schon, Landsmann, aber wenn ein Konkurrent dem Lokführer mit ein paar größeren Dollarscheinchen winkt, dann lädt er eben zwanzig Kilometer weiter auf der nächsten Station sein Wasser und seine Kohlen und macht dort eine Pause.«
    »Du meinst, du bezahlst ihm Bestechungsgelder?«, fragte der alte Mann verblüfft.
    »Wenn du es so nennen willst, Landsmann«, antwortete der Wirt freimütig. »Ich habe dafür einen hübscheren Namen. Ich bezahle mit den Dollars meine Konzession, meine Ausschankerlaubnis. Die kriegst du in Ostpreußen doch auch nicht für’n Appel und ‘n Ei.«
    Der alte Mann schüttelte den Kopf und sagte: »So was.«
    »Bist du denn noch ganz frisch in diesem Land, Mann?«, fragte der Wirt, wartete aber gar nicht erst auf die Antwort. »Ich will dir sagen, wie ich diesen Laden hier zu dem gemacht habe, was er ist. Vierzig Kilometer von hier hatte Bill Gathaway sein Eisenbahnrestaurant. Wir konnten beide ganz gut leben. Er allerdings besser als ich. Doch es stach ihn, dass da noch ein anderer war, der Dollars von ›seinen Reisenden‹ erhielt. Er wollte mich kaputtmachen. Er begann seine Preise zu senken. Erst nahm er für’n Frühstück einen viertel Dollar. Ich zog mit, damit die Gäste mir nicht wegliefen. Bei zwanzig Cents ging’s so grade noch. Aber als er dann sage und schreibe zwei Cents für ‘n Frühstück nahm, da stand ich vor der Pleite.«
    »Ja, konnte er denn das Essen so billig verkaufen?«
    »Er musste kräftig zuschießen. An jedem Morgen hatte er mehr als fünfzig Dollar Verlust. Aber er schaffte es wohl. Jedenfalls hatte er sich ausgerechnet, dass es reichte, um mich in die Knie zu zwingen. Wenn er dann erst das einzige Lokal an der Strecke hatte, dann würde er die ganzen Einbußen wieder doppelt und dreifach wettmachen.«
    »Na, du bist ja noch hier. Ist ihm doch die Puste ausgegangen?«, fragte Döblin.
    »Ja, so war’s. Aber ich habe mitgeholfen ihm die Luft abzudrücken.«
    »Ich meine, du warst am Ende?«
    »Nur, bis ich den rettenden Einfall hatte. Ich trommelte meine ganze Familie zusammen, dazu die Freunde und Bekannten. Alles in allem waren wir an die hundert Leute. Ich kratzte mein letztes Geld zusammen und erläuterte ihnen meinen Plan. Sie waren so begeis­tert, dass sie mir ein Darlehen gaben. Ich schickte sie mit dem Vieruhrzug zu Billy Gathaways Station. Sie warteten dort, bis er um halb sechs für den Zug aus St. Louis sein Lokal aufmachte. Sie bestellten jeder drei Frühstücke und knallten ihm sechs Cents dafür auf den Tisch. Er ließ sie bedienen. Aber sie aßen nur ein Frühstück. Die anderen beiden packten sie in Körbe, fuhren mit dem Zug um sechs Uhr die eine Station bis zu mir. Wir hatten gerade Zeit alles auszupacken, bis der Zug aus Memphis einlief. Ich bot Billys Luxusfrühstück für genau zwei Cents an. Ich machte keinen Gewinn, machte keinen Verlust, wenn man vom Fahrgeld mal absieht, das ich später zurückzahlen musste. Drei volle Wochen hielt Billy das durch. Dann strich er die Segel. Im Augenblick bin ich der einzige Frühstückswirt hier an der Strecke und das anständige Frühstück kostet einen halben Dollar pro Nase, wenn ich bitten darf.« Er begann zu kassieren.
    »Und so was muss man in diesem Land ausbrüten, wenn man hochkommen will?«
    »Geschäft ist alles«, lachte der Wirt und klimperte mit den Halbdollarmünzen. »Und keiner in den Staaten soll sagen, dass der Viktor Koslowski aus Insterburg ein Dämlack ist.«
    St. Louis lag auf der anderen Stromseite. Der Zug donnerte über eine feste Brücke.
    »Ziemlich große Stadt«, sagte der alte Mann.
    »Anders als New Orleans, wie?« Döblin schaute lange aus dem Fenster.
    »Sieht eher aus wie ‘ne Stadt in Deutschland, was meinst du?«
    »Ja. Sollen auch viele Deutsche hier leben.«
    Sie mieteten vor dem Bahnhof einen zweispännigen Kutschwagen, luden ihr Gepäck auf und gaben Warichs Adresse an.

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