Der Lange Weg Des Lukas B.
Junge stellte sich eine Weile in den Windschatten der Aufbauten des Achterdecks und staunte, wie sicher die Seeleute auf die Signale aus der Pfeife des Bootsmanns hin mit Tauen und Segeln hantierten. Er schlenderte aufs Vorschiff.
Der Himmel im Osten begann sich rosa zu färben.
»Was suchst du denn schon an Deck in aller Herrgottsfrühe?«, schnauzte ein glatzköpfiger Mann. Der Junge erkannte den Smutje, der am Tage zuvor die Schweine in Empfang genommen hatte. Er saß auf der obersten Stufe der Treppe, die in die Kombüse hinabführte. »Ist dir der Mief im Schiffsbauch zu stark geworden?«
»Ich konnte nicht mehr schlafen«, antwortete der Junge.
»Hast du einen Namen?«
»Ich heiße Lukas Bienmann. Alle Leute rufen mich Luke.«
»Dir geht’s wie mir, Luke. Ich mache jetzt schon die 33. Fahrt über die Meere. Aber in den ersten drei Nächten finde ich kaum ein Auge voll Schlaf. Wenn sie die Segel morgens um vier aufziehen, bin ich jedes Mal hellwach. Dabei brauche ich erst eine Stunde später aufzustehen.«
»Sie sind doch der Koch, nicht wahr?«
»Schön, Luke, dass du mich Koch nennst. Ich heiße übrigens Jonas. Sagtest du, dass du Bienmann heißt?«
»Ja, Luke Bienmann.«
»Kommt mir irgendwie bekannt vor, der Name.«
»Mein Großvater hat das Steerage gebucht. Der heißt Friedrich Bienmann.«
»Ja. Davon habe ich gehört. Zimmerleute seid ihr und wollt drüben das große Geld machen.«
»Mein Großvater ist der beste Zimmermeister weit und breit«, prahlte der Junge.
»Das glaube ich dir aufs Wort«, spottete der Koch und zeigte mit dem Arm rund über das Meer. Der Junge lachte.
»Bienmann heißt du also. Seltener Name. Ich kann mich nicht genau besinnen, aber irgendwann ist mir schon einmal ein Bienmann begegnet.«
»Sie meinen, Sie kennen außer Großvater und mir noch einen Bienmann?«, fragte der Junge gespannt.
»Möglich ist’s.«
Ein schriller Pfiff ertönte. Ein Offizier polterte ins Mannschaftslogis und brüllte: »Rise, rise, ihr lahmen Kerle. Raus mit euch aus den Kojen.«
»Warum macht er ein solches Getöse?«, fragte Luke.
»Das gehört auf dem Schiff dazu. Um fünf Uhr wird jeder vom zweiten Steuermann aus dem Schlaf gescheucht. Wenn er es leiser versuchte, würde keiner aufstehen.« Der Smutje erhob sich und sagte: »Ich muss jetzt an meine Töpfe. Um sechs gibt es Frühstück. Hast du Lust mir zur Hand zu gehen?«
»Ja«, antwortete der Junge eifrig. »Ich kann schon ganz gut kochen. Ich bin nämlich der Lehrling bei meinem Großvater und der jüngste Lehrling muss kochen können.«
»Na, von mir kannst du vielleicht noch etwas abgucken.«
Wenn sie sich vorsichtig bewegten, konnten sie zu zweit in der Kombüse arbeiten. »Zuerst machen wir das Frühstück für die Kajütengäste«, sagte Jonas. Mit einem riesigen Messer schnitt er ein Weißbrot in dünne Scheiben, drückte Butter in Butterschälchen und ordnete Wurst und Käse auf Platten.
»Dem Ochsen, der da drischt, darf man das Maul nicht verbinden«, sagte er und reichte dem Jungen die Brotkanten und Wurstenden. Der ließ sich nicht zweimal auffordern und langte zu. Ab und zu spießte Jonas einen Würfel Brot oder ein Stückchen Käse auf seine Messerspitze und stillte damit seinen Hunger. In zwei großen Kesseln wurde Wasser erhitzt. In einem davon kochte Jonas Kaffee. Mit der Schöpfkelle füllte er zwei große Blechkannen voll mit dem pechschwarzen Gebräu. »Für die Offiziere und Kajütengäste«, erklärte er. Dann schüttete er aus dem Kessel mit klarem Wasser so viel in den Kaffeekessel hinein, dass dieser wieder randvoll wurde. »Dieser herrliche Kaffee ist für die anderen Passagiere.«
Luke half beim Austeilen des dünnen Getränkes. Etwas Schiffszwieback und je eine Schöpfkelle Kaffee bekam jeder Passagier zugeteilt. Die Kajütengäste und die Offiziere wurden von zwei Stewards bedient.
Jonas schwenkte den Kaffeekessel mit Meerwasser aus. In einem Eimer, an den ein langer Strick gebunden war, holte er das Wasser aus der See. »Willst du es auch mal versuchen?«, fragte er den Jungen. Der nahm den Strick in die linke Hand und warf den Eimer, wie er es bei Jonas gesehen hatte, über die Reling. Aber der Eimer fiel mit dem Boden auf das Wasser und füllte sich zunächst nicht. Erst eine größere Welle riss ihn mit einem Ruck fort. Der Strick wurde ein Stück durch seine Hände gerissen. Die Handflächen brannten, aber er ließ ihn nicht los, sondern hievte den Eimer an Bord. »Nur halb voll«,
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