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Der Lange Weg Des Lukas B.

Der Lange Weg Des Lukas B.

Titel: Der Lange Weg Des Lukas B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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antwortete Charly mürrisch. ›Hast wohl Angst, du Süßwassermatrose?‹, neckte ihn einer aus der Runde. ›Der hält die Karten für ‘n Teufelswerk‹, fügte Big Ben hinzu. Er fasste Charly am Hemdenzipfel, zog ihn heran und forderte ihn heraus: ›Spiel mit, wenn du kein Feigling bist.‹
    ›Ein Feigling?‹
    Charly riss sich los, griff nach den vier Karten, die Big Ben in der Hand hielt, rannte damit an die Reling und warf sie über Bord. Du wirst es nicht glauben, sie schwammen noch eine Weile auf den Wellen, dann sprangen schwarze Fische, schnappten danach und zogen die Karten auf den Meeresgrund.
    Die Matrosen beugten sich über die Reling, starrten den Karten nach und gingen dann auf Charly los.
    Big Ben hatte ein Messer in der Faust. Aber Charly machte gar keine Anstalten sich zu wehren, obwohl er größer war als die Kartenspieler und auch einen breiten Brustkorb und starke Arme hatte. Sie schlugen auf ihn ein.
    Ich rannte auf das Achterdeck, klopfte an die Tür der Kapitänskajüte und rief: ›Sie erschlagen Charly, den neuen Mann. Kommen Sie schnell, Sir!‹ Der Kapitän stürzte an Deck und brüllte: ›Sofort aufhören!‹
    Die Matrosen duckten sich. Charly lag ausgestreckt auf den Planken und rührte sich nicht. Aus einem Schnitt im Gesicht sickerte Blut.
    ›Er hat unsere Spielkarten absichtlich in den Ozean geworfen‹, versuchte sich Big Ben zu rechtfertigen und steckte sein Messer wieder in den Gürtel. Ein anderer Matrose hielt den Rest des Kartenspiels zum Beweis in die Höhe.
    ›Gib mir das Spiel‹, befahl der Kapitän. Big Ben rief aufgeregt: ›Vier Karten hielt ich in der Hand. Er hat sie mir weggerissen. Ganz ohne Grund hat er sie fortgeworfen.‹
    ›Wegen Benutzung des Messers bekommt der Vollmatrose Ben McMahon drei Schläge mit dem Tau über den Rücken‹, sagte der Kapitän. ›Wenn Charly binnen einer Woche das Kartenspiel nicht ersetzt, dann wird ihm das Tau zehnmal übergezogen. Außerdem zahle ich die Kosten für ein neues Spiel in New Orleans von seiner Heuer. Bewahren Sie, Hendrik, die Karten solange auf.‹
    Ich schleppte Charly mit Jonas’ Hilfe in die Segelkammer. Die Schnittwunde war nicht tief, zog sich aber vom Ohr bis ans Kinn über die ganze linke Gesichtshälfte. Ich verband Charlys Wunde, kühlte die Beulen und strich ihm die Schürfungen mit Olivenöl ein, das Jonas mir gegeben hatte. Charly kam bald wieder zu sich. Ich sagte ihm, was der Kapitän angeordnet hatte. Bereits am nächsten Tag saß Charly wieder in der Jolle an der Ruderpinne. Später an Bord der ›Neptun‹ hat er sich angesehen, wie Big Ben drei Schläge aufgebrummt bekam und ihm die Haut auf dem Rücken aufplatzte. Wortlos ist er in die Segelkammer gegangen, hat sein Malzeug ausgepackt, aus einem Stück Karton Spielkarten geschnitten und hat zu malen angefangen. Eigenartige Karten sind das geworden.
    Auf der ersten konntest du sehen, wie der Kreuzbube sich mit einem Strick an einem Baum erhängte. Spielkarten fielen ihm aus der Hand und zerstreuten sich auf dem Boden. Die zweite zeigte die Karodame, eine zierliche, blonde Frau, die sehr traurig aussah. Sie wendete ihr Gesicht von einem Kartenspiel ab. Vögel mit langen Krallen umflatterten sie und trugen Spielkarten in ihren Schnäbeln. Auch einen Pikkönig malte er. Es war ein finsterer, strenger Mann. Statt in den Händen ein Zepter zu halten, zerbrach er einen Malerpinsel. Er hatte eine herrliche Krone auf dem Haupte. Aber was ich sehr verwunderlich fand, war, dass er einen goldenen Ohrring im Ohrläppchen trug, gerade wie eure Zimmerleute. ›Was soll das alles, Charly?‹, fragte ich ihn. ›Das sind zwar ganz schöne Bilder, aber im Spiel sind solche Karten doch nicht zu gebrauchen. Jeder kennt sie sofort heraus.‹ Er zeigte mir zunächst stumm die vierte Karte. Es war die Herzzehn. In jedem der zehn Herzen saß ein Kartenspieler, winzig klein, mit dem bloßen Auge kaum zu erkennen. Unten auf der Karte tat sich eine Flammenhölle auf und schwarze Ungeheuer richteten ihren Dreizack gegen die Spieler, als ob sie nur darauf lauerten, sie aufzuspie­ßen.
    ›Das Spielen hat schon manchen Menschen ins Unglück gestürzt‹, murmelte er. Mehr war aus ihm nicht herauszubekommen. Ich habe die neuen Karten zusammen mit dem Rest des Spiels zum Kapitän gebracht. Der hat sich die Bilder angesehen und hat mich dann verblüfft gefragt: ›Wer hat das gemalt?‹
    ›Charly‹, habe ich geantwortet.
    Der Kapitän hat aus seinem Schrank ein fast

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