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Der Lange Weg Des Lukas B.

Der Lange Weg Des Lukas B.

Titel: Der Lange Weg Des Lukas B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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einen Zoll breit war. So entstand ein Vierkanthölzchen.
    »Mach es so wie ich«, sagte er. »Spalte dieses Brett zu lauter kleinen Balken. Ab morgen werde ich dir zeigen, wie solche Balken zusammengefügt werden.«
    »Du meinst, wir bauen ein richtiges, kleines Haus?«
    »Ob wir das bis New Orleans schaffen, weiß ich nicht. Aber die wichtigsten Holzverbindungen wirst du ganz sicher kennen lernen.«
    Der Junge ließ die Klinge springen. Er konnte sich in dem blanken Metall spiegeln. »Herrlich, Großvater«, rief er und fiel dem alten Mann um den Hals.
    »Na, na«, wehrte der ab. »Ich hatte noch nie einen Lehrling, der mir einen Kuss geben wollte.«
    Aus der Vorderluke stieg der Segelmacher heraus und setzte sich auf seinen Platz unter die Fock.
    »Wird bald vorbei sein, das schöne Wetter«, prophezeite er.
    »Ich spüre auch schon das Reißen in allen Knochen«, bestätigte der alte Mann. »Das ist ein sicheres Zeichen für Regenwetter.«
    »Ein Schnaps zur Vorbeugung könnte eigentlich nicht schaden, mein Junge. Wie steht es, hast du schon etwas für mich aufge­trieben?«
    »Der Junge hat Geburtstag heute«, sagte der alte Mann. »Er könnte Ihnen wirklich einen Schnaps ausgeben.«
    »Woher soll ich Schnaps nehmen, Großvater?«, fragte der Junge. »Du könntest ja einmal einen gewissen Zimmermeister Bienmann fragen«, schlug der alte Mann vor. »Der soll nämlich eine Medizinkiste mitgenommen haben. In jedem Medizinschrank befindet sich auch Alkohol zum Einreiben und in besonderen Fällen auch für die innere Anwendung.«
    »Wirst du mir denn etwas davon abgeben?«
    »Nicht für dich, Lausepelz. Aber wenn ich mir den Segelmacher anschaue, dann scheint hier ein besonderer Fall vorzuliegen. Komm mit mir und spendiere ihm einen kräftigen Schluck zu Ehren deines Geburtstages.«
    »Man soll über Schnaps nicht zu viel reden«, mahnte der Segelmacher. »Lauf schnell, Junge. Ich spüre, wie mir das Wasser im Munde zusammenläuft.«
    »Mir scheint«, sagte der alte Mann, als sie ins Steerage hinabstiegen, »der Segelmacher braucht einen Arzt dringender als Schnaps. Sein Husten gefällt mir nicht.«
    Aus einem Tonkrug schüttete er dem Jungen eine Blechtasse halb voll. Der Junge trug den Schnaps vorsichtig zum Vorschiff. Hendrik erhob sich, schnüffelte genießerisch, trank in kleinen, hastigen Schlucken, hustete, trank, hustete. Die letzten Tropfen wischte er mit dem Finger aus der Tasse und leckte ihn ab. Dann reichte er dem Jungen das Gefäß zurück. Seine Augen begannen zu glänzen. Die Haut sah weniger matt und welk aus. Seine Bewegungen wurden lebhafter, kraftvoller.
    »Ein Becher Lebenssaft, Junge. Das tut gut. Dieser Trunk ist die Antwort auf eine Frage nach Charly wohl wert. Aber frage schnell. Bald wird mein Hals wieder ausgedörrt und rissig sein.« Der Junge überlegte nicht lange und stieß hastig hervor: »Was weißt du über Charly?«, und es fiel ihm gar nicht auf, dass er das vertraute Du ausgesprochen hatte.
    Der Segelmacher lachte auf. »Du fragst nicht sehr genau, Junge. Was soll ich dir auf diese Frage antworten?«
    »Wie er wirklich heißt, ob er die Bilder in dem Medaillon gemalt hat, wann er mit diesem Schiff gefahren ist, warum er nach Amerika wollte . . . «
    »Halt, halt. Das sind viele Fragen. Unsere Absprache war, ein Becher Schnaps, eine Antwort auf eine Frage. Und die hast du längst gestellt. Also, was weiß ich über Charly?«
    Der Segelmacher hockte sich auf das Deck nieder, dachte eine Weile nach und begann dann: »Ich will dir erzählen, wie Charly einmal um ein Haar erstochen und über Bord geworfen worden ist. Das war, als wir in einer endlosen Flaute am Wendekreis des Krebses lagen. Den Tag über hatte der Kapitän uns ans Rudern gekriegt. Die beiden Jollen wurden vor die ›Neptun‹ gespannt. Wir sollten sie in das Gebiet der Passatwinde schleppen. Da hieß es pullen. Du merkst kaum, dass die Bark sich bewegt. Auf jeden Fall scheint dir der Schweiß schneller zu fließen, als das Schiff vorwärts kommt. ›Wir müssen raus aus der Flaute‹, hatte der Kapitän gesagt. Wir wussten, dass das nötig war. Das Trinkwasser begann knapp und faulig zu werden. Wenn wir nicht selbst verfaulen wollten, mussten wir uns eben mit dem Rudern plagen. Am Abend saßen bei der Großluke vier Matrosen und spielten Karten. Charly schlenderte an ihnen vorbei. ›Komm, Charly, mach ein Spielchen mit uns‹, rief Big Ben, ein großmäuliger Ire mit einer Säufernase. ›Ich spiele nicht‹,

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