Der lange Weg zur Freiheit
nur um Publicity.« Ich erklärte, ich nehme ihm diese Bemerkung übel, und bevor ich noch ausgeredet hatte, murmelte er etwas so Beleidigendes und Unfreundliches über meine Frau, daß ich die Beherrschung verlor.
Ich stand auf und ging um den Schreibtisch herum auf den Lieutenant zu. Prins wich zurück, aber kurz darauf hatte ich mich wieder unter Kontrolle. Statt ihn mit den Fäusten anzugreifen, wie es meinem Impuls entsprach, traktierte ich ihn mit Worten. Ich bin nicht dafür, zu fluchen oder zu schimpfen, aber an diesem Tag verletzte ich meine Prinzipien. Zuletzt sagte ich ihm, er sei ein nichtswürdiger Mensch ohne Ehre und wenn er diese Worte wiederholte, würde ich mich nicht mehr so zurückhalten wie an diesem Tag.
Als ich fertig war, drehte ich mich um und stürmte aus seinem Büro. Im Gehen sah ich draußen Kathy und Eddie Daniels, aber ich grüßte sie nicht einmal, sondern ging sofort in meine Zelle. Zwar hatte ich Prins zum Schweigen gebracht, aber er hatte es geschafft, daß ich die Selbstbeherrschung verlor, und so etwas ist in meinen Augen ein Pluspunkt für den Gegner.
Am nächsten Morgen, nach dem Frühstück, kamen zwei Aufseher in meine Zelle und sagten, man wolle mich im Hauptbüro sprechen. Als ich hinkam, umringte mich ein halbes Dutzend bewaffnete Wärter. Hinten auf der Seite stand Lieutenant Prins, und in der Mitte des Kreises befand sich ein Offizier, der in dem Gefängnis für Strafverfolgung zuständig war. Es herrschte eine angespannte Atmosphäre.
»Nun, Mandela«, sagte der Strafverfolger, »ich höre, Sie haben gestern Ihren Spaß gehabt, aber heute wird es nicht so lustig werden. Die Anklage lautet auf Beleidigung und Bedrohung des Gefängnisleiters. Das ist eine schwerwiegende Anschuldigung.« Damit übergab er mir die Vorladung.
»Haben Sie nichts zu sagen?« fragte er.
»Nein«, erwiderte ich. »Sie können mit meinem Anwalt sprechen.« Dann bat ich darum, wieder in meine Zelle gebracht zu werden. Prins sagte kein Wort.
Ich wußte sofort, was zu tun war: Ich würde eine Gegenanklage vorbereiten, in der ich alle vom Lieutenant bis zum Justizminister des Amtsmißbrauchs beschuldigte. Ich würde das gesamte Gefängnissystem als rassistische Institution bezeichnen, die dazu diente, die weiße Vorherrschaft festzuschreiben. Ich wollte aus der Angelegenheit einen Musterprozeß machen, bei dem sie hinterher bereuten, daß sie mich überhaupt angeklagt hatten.
Ich bat George Bizos, mich zu vertreten, und bald darauf wurde eine Besprechung verabredet. Bevor er mich besuchte, setzte ich die Behörden darüber in Kenntnis, daß ich ihm schriftliche Anweisungen übergeben würde. Sie fragten mich nach dem Grund, und ich erwiderte freimütig, nach meiner Überzeugung sei der Beratungsraum verwanzt. Daraufhin verweigerte man mir die Genehmigung zu schriftlichen Äußerungen; ich mußte sie mündlich abgeben. Ich erklärte, sie hätten kein Recht, die Genehmigung zu verweigern, und wenn sie es dennoch täten, bestätige das nur meinen Verdacht.
In Wirklichkeit befürchteten die Behörden, George werde eine schriftliche Äußerung an die Presse durchsickern lassen. Das gehörte tatsächlich zu unserer Strategie. Außerdem machten sie sich Sorgen, ich werde George als Mittelsmann zum Nachrichtenaustausch mit Oliver in Lusaka benutzen, und sie nahmen an, eine schriftliche Äußerung werde sensible Informationen enthalten. Ich hatte George früher zu solchen Zwecken eingesetzt, aber diesmal stand in dem fraglichen Papier nichts Derartiges.
Man setzte einen Termin für die Verhandlung vor dem Disziplinargericht der Insel an und bestimmte einen Richter aus Kapstadt. Einen Tag vor der Verhandlung sagte man mir, mein Anwalt werde am folgenden Tag eintreffen und es stehe mir frei, ihm meine schriftlichen Ausführungen zu übergeben. Morgens traf ich im Hauptbüro mit George zusammen, und wir besprachen uns kurz, bevor das Gericht zusammentrat. Aber die Verhandlung hatte kaum begonnen, da gab der Strafverfolger bekannt, das Gefängnis ziehe die Anklage zurück. Der Richter verkündete das Ende der Sitzung und verließ abrupt den Raum. George und ich sahen uns überrascht an und gratulierten einander zu dem scheinbaren Sieg. Ich steckte gerade meine Papiere ein, da kam ein anderer Offizier herüber, zeigte auf meine schriftliche Ausarbeitung und sagte: »Geben Sie mir die Akte.«
Ich weigerte mich und sagte, es sei eine vertrauliche Angelegenheit zwischen meinem Anwalt und
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