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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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meine Entlassung vorbereiten könnten. Morgen einfach hinauszugehen, sagte ich, würde ein Chaos verursachen. Ich bat Mr. de Klerk, mich in einer Woche zu entlassen. Nachdem ich 27 Jahre gewartet hätte, könne ich ohne weiteres noch einmal sieben Tage warten.
    Mr. de Klerk war erstaunt über meine Reaktion. Statt mir zu antworten, fuhr er fort, mir den Plan meiner Entlassung zu erläutern. Er sagte, die Regierung werde mich nach Johannesburg fliegen und mich dort offiziell freilassen. Ehe er weitersprechen konnte, sagte ich ihm, dagegen hätte ich erhebliche Einwände. Ich wollte durch das Tor von Victor Verster gehen und denjenigen danken können, die sich um mich gekümmert hatten, sowie die Menschen von Kapstadt begrüßen. Obwohl ich aus Johannesburg stammte, war Kapstadt fast 30 Jahre lang mein Zuhause gewesen. Ich würde nach Johannesburg zurückkehren, aber dann, wann ich wollte, und nicht, wann die Regierung es wünschte. »Wenn ich erst frei bin«, sagte ich, »werde ich für mich selbst sorgen.«
    Wieder war de Klerk verblüfft. Doch diesmal riefen meine Einwände eine Reaktion hervor. Er entschuldigte sich und verließ sein Büro, um sich mit anderen zu beraten. Nach zehn Minuten kam er mit ziemlich langem Gesicht zurück und sagte: »Mr. Mandela, es ist zu spät, um den Plan jetzt noch zu ändern.« Ich erwiderte, der Plan sei unannehmbar, ich wolle erst in einer Woche entlassen werden, und zwar aus Victor Verster, nicht in Johannesburg. Das war ein angespannter Moment, und damals sah keiner von uns irgendeine Ironie darin, daß ein Gefangener darum bat, nicht entlassen zu werden, während derjenige, der ihn gefangenhielt, ihn freizulassen versuchte.
    De Klerk entschuldigte sich erneut und verließ das Zimmer. Nach zehn Minuten kam er mit einem Kompromiß zurück: Ja, ich könne aus Victor Verster entlassen werden, aber die Entlassung könne nicht verschoben werden. Die Regierung hatte bereits die ausländische Presse darüber informiert, daß man mich morgen freilassen werde, und meinte, diese Zusage einhalten zu müssen. Dagegen konnte ich nichts mehr sagen. Schließlich einigten wir uns auf den Kompromiß, und Mr. de Klerk schenkte zwei Gläser Whisky ein, um das zu feiern. Ich hob das Glas und prostete ihm zu, doch ich tat nur so, als tränke ich; solche alkoholischen Getränke sind mir zu stark.
    Erst kurz vor Mitternacht kehrte ich in mein Haus zurück. Unverzüglich ließ ich meinen Kollegen in Kapstadt mitteilen, ich würde am folgenden Tag entlassen. Es gelang mir, Winnie eine Botschaft zu schicken, und ich rief Walter in Johannesburg an. Sie würden alle am nächsten Tag mit einem Charterflugzeug kommen. Noch in der Nacht kam eine Reihe von ANC-Leuten des sogenannten National Reception Committee (Nationales Empfangskomitee) in mein Haus, um ein Statement zu entwerfen, das ich am nächsten Tag abgeben würde. Sie gingen in den frühen Morgenstunden, und trotz meiner Erregung fiel mir das Einschlafen nicht schwer.

 
11. Teil
Freiheit
     
     
     
    Am Tag meiner Entlassung wachte ich nach nur wenigen Stunden Schlaf um halb fünf Uhr früh auf. Der 11. Februar in Kapstadt war ein wolkenloser Herbsttag. Ich absolvierte eine verkürzte Version meines üblichen Trainingsprogramms, wusch mich und frühstückte. Dann rief ich eine Reihe von Leuten von ANC und UDF in Kapstadt an und bat sie zu mir, um meine Entlassung vorzubereiten und an meiner Rede zu arbeiten. Der Gefängnisarzt kam zu einer kurzen Untersuchung. Ich beschäftigte mich nicht mit der Aussicht auf meine Entlassung, sondern mit all den vielen Dingen, die ich vorher noch erledigen mußte. Wie so oft im Leben ging die Bedeutungsschwere des Anlasses im Chaos von tausend Details unter.
    Es gab zahlreiche Angelegenheiten, die diskutiert und gelöst werden mußten, und dafür war nur sehr wenig Zeit. Eine Reihe Kameraden aus dem Empfangskomitee, darunter Cyril Ramaphosa und Trevor Manuel, kamen froh und in aller Frühe ins Haus. Ursprünglich wollte ich zu den Leuten von Paarl sprechen, die während meiner Haft sehr freundlich zu mir gewesen waren, doch das Empfangskomitee beharrte unnachgiebig darauf, dies sei keine gute Idee. Es würde merkwürdig aussehen, wenn ich meine erste Rede an die wohlhabenden weißen Bürger von Paarl richtete. Statt dessen sollte ich wie geplant auf dem Grand Parade in Kapstadt zu den Menschen sprechen.
    Eine der dringendsten Fragen, die gelöst werden mußten, war, wo ich meine erste Nacht in Freiheit verbringen

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