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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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den Sanktionen gefragt, sagte ich, der ANC könne noch nicht dazu aufrufen, die Sanktionen zu lockern, da die Situation, die diese Sanktionen überhaupt erst herbeigeführt habe – nämlich das Fehlen politischer Rechte für die Schwarzen –, noch immer der Status quo sei.
    Ich sei zwar aus dem Gefängnis entlassen, sagte ich, aber ich sei noch nicht frei.
    Ich wurde auch nach den Ängsten der Weißen gefragt. Ich wußte, die Menschen erwarteten von mir, daß ich Zorn auf die Weißen hegte. Doch das war nicht der Fall. Im Gefängnis nahm mein Zorn auf die Weißen ab, aber mein Haß auf das System wuchs. Südafrika sollte sehen, daß ich sogar meine Feinde liebte, das System jedoch haßte, das uns gegeneinander aufbrachte.
    Ich wollte den Reportern die kritische Rolle der Weißen bei jeder neuen Regelung einprägen. Das versuchte ich nie aus den Augen zu verlieren. Wir wollten das Land nicht zerstören, bevor wir es befreiten, und die Weißen zu vertreiben würde die Nation vernichten. Ich sagte, es gebe einen Mittelweg zwischen weißen Ängsten und schwarzen Hoffnungen und den würden wir vom ANC finden. »Weiße sind südafrikanische Landsleute«, sagte ich, »und wir möchten, daß sie sich sicher fühlen und wissen, daß wir den Beitrag schätzen, den sie zur Entwicklung dieses Landes geleistet haben.« Alle Männer oder Frauen, die die Apartheid aufgäben, seien bei unserem Kampf um ein demokratisches, nichtrassistisches Südafrika willkommen; wir müßten alles in unseren Kräften Stehende tun, um unsere weißen Landsleute davon zu überzeugen, daß ein neues, nichtrassistisches Südafrika ein besseres Land für alle sein werde.
    Von meiner allerersten Pressekonferenz an merkte ich, daß die Journalisten ebenso begierig darauf waren, etwas über meine persönlichen Gefühle und Beziehungen zu erfahren wie über meine politischen Gedanken. Das war mir neu; als ich ins Gefängnis kam, wäre es keinem Journalisten eingefallen, mich nach meiner Frau und Familie, meinen Gefühlen und meinen intimsten Augenblicken zu fragen. Es war zwar verständlich, daß die Presse sich für solche Dinge interessierte, doch ich fand ihre Neugier schwer zu befriedigen. Ich war und bin kein Mann, dem es leichtfällt, öffentlich über seine Gefühle zu reden. Oft wurde ich von Reportern gefragt, wie es sich anfühle, frei zu sein, und ich tat mein Bestes, um das Unbeschreibliche zu schildern, doch gewöhnlich mißlang es mir.
    Nach der Pressekonferenz rief Erzbischof Tutus Frau uns aus Johannesburg an, um uns zu sagen, wir müßten unverzüglich dorthin fliegen. Winnie und ich hatten gehofft, ein paar Tage in Kapstadt zu verbringen und uns zu entspannen, doch die Botschaft, die wir erhielten, lautete, die Menschen in Johannesburg würden unruhig und es könne zu einem Chaos kommen, wenn ich nicht sofort einträfe. Am gleichen Abend flogen wir nach Johannesburg; man sagte mir allerdings, Tausende von Menschen umringten unser altes Zuhause in West-Orlando und es sei nicht klug, dorthin zu gehen. Widerstrebend fügte ich mich. Ich sehnte mich danach, meine zweite Nacht in Freiheit unter meinem eigenen Dach zu verbringen. Doch so blieben Winnie und ich in den nördlichen Vororten im Haus eines ANC-Anhängers.
    Am folgenden Morgen flogen wir per Hubschrauber zum First National Bank Stadium in Soweto. Wir konnten einen Rundflug über Soweto machen, der wimmelnden Metropole aus Spielzeughäuschen, Blechhütten und ungepflasterten Straßen, der Mutterstadt des schwarzen urbanen Südafrika, der einzigen Heimat, die ich als Mann je gekannt hatte, ehe ich ins Gefängnis kam. Soweto war zwar gewachsen und prosperierte an einigen Stellen, doch die überwältigende Mehrheit der Menschen war noch immer entsetzlich arm, ohne Elektrizität und fließendes Wasser und vegetierte auf eine Weise dahin, die für eine so reiche Nation wie Südafrika beschämend war. An vielen Orten war die Armut viel schlimmer als bei meiner Inhaftierung.
    Wir kreisten über dem Stadion, das mit 120000 Menschen besetzt war, und landeten in der Mitte. Das Stadion war so überfüllt, daß es aussah, als werde es aus den Nähten platzen vor lauter Menschen. Ich gab meiner Freude Ausdruck, wieder unter ihnen zu sein, doch dann warf ich den Leuten einige der lähmenden Probleme städtischen schwarzen Lebens vor. Die Schüler, sagte ich, müßten in die Schule zurückkehren. Das Verbrechen müsse unter Kontrolle gebracht werden. Ich sagte ihnen, ich hätte von Kriminellen

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