Der lange Weg zur Freiheit
Ausnahmezustand beenden und alle politischen Gefangenen freilassen.
Ich sagte den Menschen, daß de Klerk weiter gegangen sei als jeder andere Führer der National Party, um die Situation zu normalisieren, und dann bezeichnete ich Mr. de Klerk als »Mann von Integrität«, was mich später noch verfolgen sollte. Diese Worte wurden mir viele Male vorgeworfen, wenn de Klerk ihnen nicht gerecht zu werden schien.
Es war mir überaus wichtig, meinem Volk und der Regierung zu zeigen, daß ich ungebrochen und ungebeugt und der Kampf für mich nicht beendet war, sondern in anderer Form neu begann. Ich versicherte, ich sei ein »loyales und diszipliniertes Mitglied des African National Congress«. Ich ermutigte die Menschen, wieder auf die Barrikaden zurückzukehren und den Kampf zu intensivieren. Die letzten Meter würden wir gemeinsam zurücklegen.
Als ich meine Rede beendet hatte, war es Abend, und wir wurden zu unseren Wagen zurückgedrängt, um nach Bishop’s Court zu fahren. Als wir diese unberührte Gegend erreichten, sah ich Hunderte von schwarzen Gesichtern, die darauf warteten, mich zu begrüßen. Als sie uns erblickten, begannen die Menschen zu singen. Ich begrüßte Erzbischof Tutu mit einer herzlichen Umarmung; dieser Mann hatte mit seinen Worten und seinem Mut eine ganze Nation inspiriert und die Hoffnung der Menschen in dunkelster Zeit wieder aufleben lassen. Wir wurden ins Haus geführt, wo uns weitere Angehörige und Freunde erwarteten, aber der wundervollste Augenblick für mich war, als ich erfuhr, jemand rufe aus Stockholm für mich an. Ich wußte sofort, wer es war. Olivers Stimme war schwach, aber nicht zu verkennen, und sie nach all diesen Jahren hören zu können erfüllte mich mit großer Freude. Oliver war in Schweden, um sich von einem Schlaganfall zu erholen, den er im August 1989 erlitten hatte. Wir waren uns darüber einig, daß wir uns so bald wie möglich treffen wollten.
Bei der Entlassung aus dem Gefängnis hatte ich davon geträumt, beschaulich hinunter in die Transkei zu fahren und meinen Geburtsort zu besuchen, die Hügel und Bäche, wo ich als Kind gespielt hatte, das Grab meiner Mutter, das ich nie gesehen hatte. Doch ich mußte meinen Traum aufschieben, denn ich erfuhr sehr bald von den weitreichenden Plänen, die der ANC mit mir hatte, und eine entspannende Reise in die Transkei gehörte nicht dazu.
Am Nachmittag nach meiner Entlassung sollte ich eine Pressekonferenz abhalten, und morgens traf ich mich mit einigen Kollegen, um über Pläne und Strategien zu sprechen. Ein kleiner Berg von Telegrammen und Glückwünschen war gekommen, und ich versuchte, soviel wie möglich davon zu lesen. Es gab Telegramme aus aller Welt, von Präsidenten und Premierministern, aber ich erinnere mich besonders an eines von einer weißen Hausfrau aus Kapstadt, das mich sehr amüsierte. Es lautete: »Ich bin sehr froh, daß Sie frei und wieder bei Ihren Freunden und Ihrer Familie sind, aber Ihre Rede gestern war sehr langweilig.«
Bevor ich ins Gefängnis kam, hatte ich nie eine derartige Pressekonferenz wie an diesem Tag abgehalten. In früheren Tagen gab es keine Fernsehkameras, und die meisten Pressekonferenzen des ANC fanden in aller Heimlichkeit statt. An diesem Nachmittag waren so viele Journalisten aus so vielen verschiedenen Ländern vertreten, daß ich gar nicht wußte, an wen ich mich wenden sollte. Ich freute mich, einen großen Prozentsatz schwarzer Journalisten unter ihnen zu sehen. Bei der Pressekonferenz wollte ich wieder eine Reihe von Themen ansprechen: vor allem, daß ich ein loyales und diszipliniertes Mitglied des ANC sei. Mir war klar, daß die meisten älteren ANC-Leute meine Entlassung vom Ausland aus beobachteten und versuchten, aus der Ferne meine Treue zu beurteilen. Ich wußte, sie hatten Gerüchte gehört, ich hätte mich von der Organisation entfernt und sei kompromittiert, und so versuchte ich mit jeder Wendung, sie darüber zu beruhigen. Auf die Frage, welche Rolle ich in der Organisation spielen würde, antwortete ich, ich werde jede Rolle übernehmen, die der ANC mir zuweise.
Ich sagte den Reportern, es bestehe kein Widerspruch zwischen meiner weiteren Unterstützung des bewaffneten Kampfes und meinem Eintreten für Verhandlungen. Es waren die Realität und die Drohung des bewaffneten Kampfes, welche die Regierung an den Rand von Verhandlungen gebracht hatten. Ich fügte hinzu, wenn der Staat aufhöre, dem ANC Gewalt anzutun, werde auch der ANC Frieden halten. Nach
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