Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
Vom Netzwerk:
Kampfes bestimmt und daß dem Unterdrückten häufig kein anderer Weg bleibt, als Methoden zu benutzen, die jene des Unterdrückers widerspiegeln. An einem bestimmten Punkt kann man Feuer nur mit Feuer bekämpfen.
    Erziehung ist der große Motor persönlicher Entwicklung. Durch Erziehung kann aus der Bauerntochter eine Ärztin werden, kann der Sohn eines Minenarbeiters Chef dieser Mine werden, kann das Kind eines Farmarbeiters Präsident einer großen Nation werden. Das, was wir aus dem, was wir haben, machen, nicht das, was uns mitgegeben ist, unterscheidet einen Menschen von einem anderen.
    Seit Anfang des 20. Jahrhunderts verdankten Afrikaner ihre Bildungsmöglichkeiten in erster Linie ausländischen Kirchen und Missionen, die Schulen gründeten und unterhielten. Unter der United Party waren die Lehrpläne der höheren Schulen für Schwarze und der für Weiße im wesentlichen gleich. Die Missionsschulen boten Afrikanern eine auf englisch vermittelte Erziehung westlichen Stils, wie ich sie erhalten hatte. Die Einschränkungen bestanden für uns in weniger Einrichtungen, nicht in dem, was wir lesen, denken oder träumen konnten.
    Doch selbst ehe die Nationalisten an die Macht kamen, ließ die Ungleichheit bei der Finanzierung die Geschichte rassistischer Erziehung erkennen. Die Regierung gab für jedes weiße Kind rund sechsmal mehr aus als für ein afrikanisches Kind. Für Afrikaner gab es keine Schulpflicht, und kostenlos war der Schulbesuch nur in den unteren Klassen. Nur weniger als die Hälfte aller afrikanischen Kinder im schulfähigen Alter besuchte überhaupt eine Schule, und die Oberschule schloß nur eine winzige Anzahl von Afrikanern ab.
    Doch selbst dieses beschränkte Maß an Erziehung lehnten die Nationalisten ab. Der Bure hatte sich nie für die Bildung von Afrikanern erwärmen können. Für ihn war sie nichts als Verschwendung, weil der Afrikaner von Natur aus unwissend und faul sei und keine Erziehung hier Abhilfe schaffen könne. Der Bure war traditionell dagegen, daß Afrikaner Englisch lernten, denn Englisch war für ihn eine ausländische Sprache, für uns hingegen die Sprache der Emanzipation.
    1953 verabschiedete das von Nationalisten beherrschte Parlament den Bantu Education Act, mit dem der afrikanischen Erziehung der Stempel der Apartheid aufgedrückt werden sollte. Das Gesetz übertrug die Kontrolle über die Bildung der Afrikaner vom Bildungsministerium auf das zutiefst verabscheute Native Affairs Department. Gemäß dem Gesetz wurden afrikanische Grund- und Oberschulen, die von Kirchen und Missionen betrieben wurden, vor die Wahl gestellt, entweder von der Regierung übernommen zu werden oder von Jahr zu Jahr weniger Mittel zu erhalten; das heißt, entweder würde die Regierung die Erziehung der Afrikaner übernehmen oder es würde für Afrikaner keine Erziehung geben. Afrikanischen Lehrern war nicht erlaubt, die Regierung oder irgendeine Schulbehörde zu kritisieren. Das war intellektuelle »Baaskap«, eine Methode, Inferiorität zu institutionalisieren.
    Dr. Hendrik Verwoerd, Minister für Bantu-Erziehung, erklärte, Erziehung müsse »Menschen ausbilden und lehren in Übereinstimmung mit ihren Lebensmöglichkeiten«. Er meinte, Afrikaner hätten keine Chancen und würden keine haben, wozu sie also bilden? »Für den Bantu ist kein Platz in der europäischen Gemeinschaft oberhalb bestimmter Formen von Arbeit«, erklärte er. Kurz, Afrikaner sollten zu körperlicher Arbeit ausgebildet und in immerwährender Unterordnung unter den weißen Mann gehalten werden.
    Für den ANC war das Gesetz eine zutiefst verabscheuenswürdige Maßnahme, die den Fortschritt der afrikanischen Kultur als Ganzes aufhalten und, wenn in Kraft getreten, den Freiheitskampf des afrikanischen Volkes auf Dauer vereiteln sollte. Die geistige Zukunft aller späteren Generationen von Afrikanern stand auf dem Spiel. Wie Professor Matthews damals schrieb: »Erziehung zur Ignoranz und zur Minderwertigkeit in Verwoerds Schulen ist schlimmer als überhaupt keine Bildung.«
    Das Gesetz und Verwoerds kruder Kommentar dazu erregten weithin Empörung bei Schwarzen wie bei Weißen. Mit Ausnahme der Dutch Reformed Church, welche die Apartheid befürwortete, und der Lutheran Mission sprachen sich alle christlichen Kirchen gegen das neue Gesetz aus. Aber die Einigkeit der Opposition bestand nur darin, diese Politik zu verurteilen, nicht ihr Widerstand entgegenzusetzen. Die Anglikaner, die unerschrockensten und beständigsten

Weitere Kostenlose Bücher