Der langsame Tanz
sich bei jeder Bewegung für einen Augenblick an ihre Haut legt. Oft, wenn er sie ansieht, wirft sie den Kopf in den Nacken und verschränkt die Arme dahinter, um ihre Brüste zu straffen. Sie benimmt sich, als wolle sie noch heute nacht aus dem Paradies vertrieben werden. Ihre ausgestellte Sinnlichkeit entspricht seinen Phantasien, die er frei und jetzt ganz ohne Langeweile streunen läßt.
Immer wieder sieht er zu ihr hinüber, um die Bilder in seinem Kopf mit den richtigen Maßen auszustatten.
Das Spiel gefällt ihm. Sie gefällt ihm. Er glaubt auch, sie tanzt für ihn diesen Du-kannst-mich-haben-Tanz, denn sonst ist da niemand, der sie ähnlich mit den Blicken verschlungen hätte. Er achtet darauf, sich nicht zu betrinken.
Rudi setzt sich neben ihn und deutet auf die mit dem Rücken zu ihnen stehende Berühmtheit. »Siehst du die ?«
»Ja.«
»Eine Nichte von Agnelli. Sie kauft ein Bild.«
»Von Anne ?«
»Von Arne.«
»Von wem ?«
»Arne. Arne Boro. Dem interessanten Einsiedler, den ich entdeckt habe.«
»Das ging aber schnell mit der Geschlechtsumwandlung. Gratuliere.«
»Dir selber kannst du gratulieren. Wenn ich noch ein, zwei solche Trendsetter dazu kriege, dann rennen die uns die Tür ein.«
Schade, jetzt ist Sharon aus seinem Kopf vertrieben.
Als Rudi auf ihn zukam, hatte er gerade noch ihre Brüste ausgepackt und war dabeigewesen, ihr den Rock hochzuschieben.
»Hör zu«, sagt Rudi konzentriert, »wir müssen uns was ausdenken. Eine richtige Legende. Ich hab jetzt einfach so ein bißchen geheimnisvoll getan, aber das kann ich nicht lang durchziehen. Wir brauchen eine richtige verkaufsfördernde Geschichte. Irgendwas, das man weitererzählt als Anekdote zum Bild. Was Fetziges, Gesprächsstoff, verstehst du ?«
»Interessant, rätselhaft und tragisch.«
»Du hast es erfaßt. Der Künstler ist die Ware, sein Bild das Etikett.«
»Warum ist Arne Boro nicht berühmt, wenn er so interessant ist ?«
»Genau in der Richtung muß uns was Logisches einfallen. Da sitzt der Haken. Warum sollen die Leute ihn kaufen, obwohl ihn niemand kennt ? Es muß etwas geben, das seine Unbekanntheit veredelt und erklärt.«
»Hmm. Er lebt auf einer Insel ?«
»Ja und ? Mehr.«
»Kann nicht sprechen ? Nein, Quatsch, was ist daran toll . Ist er der Sohn von Adolf Hitler ? Sein Enkel ? Martin Bormann ? Boro, Bormann, das paßt doch.«
Rudi lacht. »In der Richtung. Weiter. Gut. Noch nicht der Haupttreffer, aber gut.«
»Ist er tot ?«
»Nein. Bringt nichts mehr. Ist was für die Kunstgeschichte, nicht für den Markt.«
»Todkrank, stirbt bald ?«
»Nicht schlecht, merken wir uns. Weiter.«
»Woran, Aids ?«
»Unappetitlich.«
»Geheimnisvoller Virus ?«
»Denkt jeder an Aids, auch nix.«
»Und wie wär’s mit dem elektrischen Stuhl oder so was ? Sitzt in der Todeszelle, hat ein paar Leute umgebracht, am besten welche, denen mans gönnt, und wartet auf seine Hinrichtung ?«
Rudi erschlafft, als habe Martin so danebengetroffen, daß nun alles weitere Nachdenken nicht mehr lohnt.
»Nein, nein, das ist zwar sehr schlau, aber es geht ja nicht. Erstens müssen wir den Künstler irgendwann vorführen, er muß ansehnlich und begehrenswert sein, zweitens hätte man doch von den Morden gehört. Die Story platzt ja gleich.«
Martin hat genug von diesem ungleichen Spiel. Er strengt sich an, auf Ideen zu kommen, und Rudi spielt den Artdirector, der die Zensuren verteilt.
»Ist doch nicht schlecht«, sagt er, als Martin sich beschwert. »Arbeitsteilung. Du bist kreativ, und ich weiß Bescheid. Ist doch gut so. Mach weiter.«
Aber Martin hat keine Lust mehr. In seinem Augen-winkel blitzt etwas Gelbes auf, und er dreht den Kopf in der Hoffnung, Sharon zu entdecken. Sie ist da, aber schaut nicht mehr her. Schade, sie hat seinen Ausstieg aus dem Flirt bemerkt.
Rudi wartet geduldig, bis Martin wieder spricht : »Im Kloster ?«
»Wo lebst du denn ? Wen interessiert ein Mönch ?«
Rudi denkt nach : »Aids von Clinton müßte er haben, oder von Ghaddafi. Da brauchte man nur abzuwarten, wer in nächster Zeit mager wird. Oder von Mick Jagger. Oder Pavarotti.«
»Die sind alle nicht schwul.«
»Ja eben. Aids von Schwulen ist witzlos.«
Martin muß grinsen : »Unfein ist es auch.«
»Stimmt«, sagt Rudi, »hast recht. Das ist alles Quatsch.
So fette Enten stinken, und fliegen können sie auch nicht.« Er steht auf, geht ins Haus und läßt Martin sitzen.
Sharon ist verschwunden. Martin sucht das Haus nach ihr ab,
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