Der langsame Walzer der Schildkroeten
hören.
»Jedenfalls guckt sie immer noch genauso grimmig wie früher! Ruhe in Frieden sieht anders aus …«
Die Polizei war schnell vor Ort. Zwei uniformierte Beamte und Capitaine Gallois. Sie sperrte den Bereich um den Mülltonnenraum mit einem gelben Band ab. Dann trat sie neben die Leiche, bückte sich, musterte sie aufmerksam und kommentierte, jede Silbe so deutlich artikulierend wie eine Schülerin, die ihre Lektion aufsagt: »Man erkennt, dass die Verwesung bereits eingesetzt hat, die Tat muss achtundvierzig Stunden zurückliegen.« Sie hatte den Morgenrock von Mademoiselle de Bassonnière angehoben, und ihre Finger strichen über einen dunklen Fleck an ihrem Bauch. »Bauchfleck … hervorgerufen durch Gasentwicklung unter der Haut. Die Haut verfärbt sich schwarz, ist aber noch geschmeidig, leicht angeschwollen, der Körper nimmt eine gelbliche Färbung an. Sie muss Freitagabend oder Samstagnacht gestorben sein«, schloss sie und zog den Morgenrock wieder herunter. Dann bemerkte sie ein paar Fliegen über der Leiche und verjagte sie mit sanfter Geste. Sie rief den Staatsanwalt und den Rechtsmediziner an.
Ungerührt betrachtete sie mit zusammengekniffenen Lippen die Leiche zu ihren Füßen. Nicht ein Muskel in ihrem Gesicht verriet Entsetzen, Abscheu oder Überraschung. Dann wandte sie sich zu Joséphine und Iphigénie um und befragte sie.
Sie erzählten, wie sie die Leiche entdeckt hatten. Von der Feier in der Loge, der Abwesenheit Mademoiselle de Bassonnières, »aber das war ja auch kein Wunder, alle im Haus haben sie gehasst«, konnte sich Iphigénie nicht verkneifen, von den Mülltonnen und der Rolle Du Guesclins.
»Haben Sie diesen Hund schon lange?«, fragte Capitaine Gallois.
»Ich habe ihn gestern Morgen auf der Straße aufgelesen …«
Gleich darauf bedauerte sie, dass sie »aufgelesen« gesagt hatte, wollte sich korrigieren, verhaspelte sich und fühlte sich schuldig. Sie mochte die Art nicht, wie Capitaine Gallois mit ihr sprach. Sie spürte bei ihr eine unterschwellige Feindseligkeit, die sie sich nicht erklären konnte. Ihr Blick fiel auf eine unter ihrem Blusenkragen verborgene Brosche, ein von einem Pfeil durchbohrtes Herz.
»Haben Sie mir noch etwas zu sagen?«, fragte Capitaine Gallois unwirsch.
»Nein. Ich habe gerade Ihre Brosche betrachtet und …«
»Keine persönlichen Bemerkungen.«
Diese Frau würde ihr sicher nur zu gern Handschellen anlegen.
Der Rechtsmediziner traf ein, gefolgt von einem Polizeifotografen. Er maß die Körpertemperatur der Leiche, 31 Grad, untersuchte die äußeren Verletzungen und maß die genaue Länge der Stichwunden. Dann sprach er mit Capitaine Gallois. Joséphine schnappte Bruchstücke ihrer Unterhaltung auf. »Schleifspuren an den Schuhen? Abwehrspuren? Vom Angreifer überrascht? Wurde die Leiche bewegt, oder ist sie hier umgebracht worden?« Der Polizeifotograf hockte neben den Füßen des Opfers und fotografierte aus sämtlichen Blickwinkeln.
»Die Nachbarn müssen befragt werden«, sagte Capitaine Gallois leise.
»Das Verbrechen, denn es handelt sich höchstwahrscheinlich um einen Überfall, wurde in der Nacht von Freitag auf Samstag verübt … Gesetzestreue Bürger schlafen zu dieser Zeit.«
»Das Haus verfügt über einen Zugangscode. Hier spaziert man nicht einfach so rein«, bemerkte Capitaine Gallois.
»Ach, wissen Sie, solche Codes …« Er machte eine ausweichende Geste. »Die halten niemanden auf. Man muss schon sehr naiv sein, um sich davon beruhigen zu lassen.«
»Natürlich … Aber es wäre einfacher, wenn wir davon ausgehen könnten, dass der Täter im Haus wohnt.«
Der Rechtsmediziner seufzte und erklärte, das Allereinfachste wäre, wenn der Mörder mit einem Hinweisschild auf dem Rücken herumliefe. Capitaine Gallois schien seinen Scherz nicht witzig zu finden und ging zurück in den Müllraum, um die Örtlichkeiten genauer in Augenschein zu nehmen.
Dann traf der Staatsanwalt ein. Ein hagerer Mann mit blondem Bürstenhaarschnitt. Er stellte sich vor. Schüttelte seinen Kollegen die Hand, lauschte ihren Schlussfolgerungen. Beugte sich über die Leiche. Redete mit dem Rechtsmediziner und ordnete eine Obduktion an.
»Klingenbreite, Kraft, mit der die Stiche ausgeführt wurden, Tiefe der Wunden, Spuren von Hämatomen, Strangulation …«
Ruhig, gelassen und mit der Sorgfalt eines Mannes, der solche Anblicke gewohnt ist, zählte er die verschiedenen Punkte auf, die der Rechtsmediziner beachten sollte.
»Ist Ihnen
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