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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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nach der Tasse griff und sie an seine Lippen führte, an der Gelöstheit, die jede seiner Gesten ausstrahlte.
    Das waren nicht die Gesten eines Mannes, der in eine andere verliebt war. Und auch nicht die des Mannes ihrer Schwester. Es waren die Gesten eines ungebundenen Mannes …
    Der auf sie wartete.
    Es war ihr letzter Abend. Morgen würde Joséphine zurückkommen. Morgen wäre es zu spät.
    Ohne zu zögern, ging sie an den Wandschrank, in dem der Sicherungskasten hing, drückte den Schalter herunter, und alle Lichter gingen aus. Der Kühlschrank schaltete sich mit einem letzten Stottern ab, die Stereoanlage im Wohnzimmer verstummte. Schweigen. Halbdunkel. Jetzt lag alles in ihrer Hand.
    Sie ging nach unten und klingelte an der Tür der Lefloc-Pignels. Viertel nach neun. Die Kinder hatten gegessen. Madame räumte ihre Küche auf. Monsieur war frei.
    Und er war es auch, der öffnete. Groß, breitschultrig und mit strenger Miene stand er in der Tür. Iris senkte den Blick und setzte eine betretene Miene auf.
    »Es tut mir furchtbar leid, Sie zu stören, aber ich verstehe nicht, was passiert ist; plötzlich war der Strom weg … und ich weiß nicht, wie ich ihn wieder einschalten soll …«
    Er zögerte kurz und erklärte dann, dass er gleich hochkommen werde, er müsse nur noch rasch etwas fertig machen.
    »Haben Sie einen alten oder einen neuen Sicherungskasten?«, fügte er hinzu.
    »Ich weiß es nicht. Ich wohne ja nicht hier«, antwortete sie mit einem bezaubernden Lächeln.
    »Ich bin in zehn Minuten bei Ihnen …«
    Er schloss die Tür. Sie hatte keine Gelegenheit gehabt, einen Blick in die Wohnung zu werfen, aber für eine Familie mit drei Kindern war sie ihr eigentümlich still erschienen.
    »Sind Ihre Kinder schon im Bett?«, fragte sie ihn später.
    »Jeden Abend um Punkt neun Uhr. So lautet die Regel.«
    »Und sie gehorchen?«
    »Natürlich. So sind sie erzogen. Es gibt niemals Diskussionen.«
    »Aha …«
    »Wissen Sie, wo der Sicherungskasten ist?«
    »Kommen Sie mit. Er ist in der Küche …«
    Er öffnete den Wandschrank und lächelte mit nachsichtiger Belustigung.
    »Das ist nichts Ernstes. Ihnen ist nur die Sicherung rausgeflogen …«
    Er legte den Schalter um, das Licht ging wieder an, der Kühlschrank begann zu summen, und aus dem Wohnzimmer drang leise Musik. Iris klatschte Beifall.
    »Sie sind fantastisch.«
    »Das war nicht schwer …«
    »Ohne Sie wäre ich verloren gewesen … Eine Frau ist nicht dazu geschaffen, allein zu leben. Ich zumindest stehe vollkommen hilflos vor den kleinen Missgeschicken des Lebens. Und auch vor den großen, muss ich gestehen!«
    »Ich bin ganz Ihrer Meinung. Die natürliche Rollenverteilung zwischen Mann und Frau ist in Vergessenheit geraten. Frauen führen sich auf, als wären sie Männer, und Männer weigern sich, Verantwortung zu übernehmen. Ich bin für den pater familias , der alles in die Hand nimmt.«
    »Wie recht Sie damit haben. Darf ich Ihnen etwas anbieten? Einen Whisky vielleicht oder einen Tee? Ich habe heute Morgen auf dem Markt frische Pfefferminze gekauft …«
    Sie wickelte ein Büschel Pfefferminze aus der Alufolie und ließ ihn daran riechen. Es wäre gut, wenn er den Tee nähme. Dann könnten wir uns unterhalten, während er zieht. Er wird sich entspannen, und dann finde ich schon einen Weg, ihm näherzukommen.
    »Ein Pfefferminztee wäre schön …«
    Iris füllte Wasser in den Kocher und schaltete ihn ein. Sie spürte seinen schweren Blick, der all ihren Bewegungen folgte, und sie fragte sich gerade, wie sie die Atmosphäre etwas auflockern könnte, als er ihr zuvorkam.
    »Haben Sie Kinder?«
    »Einen Sohn. Aber er lebt nicht bei mir. Er ist bei seinem Vater in London. Ich lasse mich gerade scheiden, deshalb wohne ich auch bei Joséphine.«
    »Verzeihen Sie, ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten …«
    »Im Gegenteil, es tut mir gut, darüber zu reden. Ich fühle mich so einsam.«
    Sie stellte die Teekanne und zwei Tassen auf ein Tablett. Holte zwei kleine weiße Servietten. Dieses Detail würde ihm auffallen. Faltete sie so sorgfältig, als hätte sie einen Kurs in perfekter Haushaltsführung besucht. Sie spürte in ihrem Rücken, wie er jede ihrer Gesten beobachtete, und sein Blick durchbohrte sie wie ein Schraubenzieher. Sie erschauerte.
    »Sein Vater hat das Sorgerecht beantragt und …«
    »Aber Sie werden ihn doch nicht aufgeben?«, fiel er ihr brüsk ins Wort.
    »Nein, natürlich nicht! Ich werde alles tun, um ihn zurückzubekommen.

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