Der Lauf-Gourmet
die Experten, leicht verdaulich, schnelle Energie. Ich bevorzuge aber nun mal komplexere Treibstoffe. Und zwei Tassen Kaffee. Gut, dass ich viel zu früh am Start war. Mein Fahrrad schloss ich hinter
der Klamottenaufbewahrung der Frauen ab. Das sollte sich rächen.
Ringsherum standen vereinzelte Bäume und um jeden drei Läufer, die sich keinerlei Mühe gaben, den anderen nicht auf die Schuhe zu pinkeln. Faszinierend, wie hemmungslos Menschen sich aufführen, wenn sie Sportzeug tragen und sich mit ihrer Startnummer auf dem Hemd unantastbar fühlen. Frauen bilden wenigstens einen Kreis und kichern, um die hockende Schwester in der Mitte notdürftig zu verdecken. Der Kaffee enthemmte mich ebenfalls.
Den Kleiderbeutel hatte ich längst abgegeben. Viel zu früh natürlich. Mir war kalt. Die gelben Plastikumhänge waren alle. Ich fror. Der Fleischsalat arbeitete. Ich hüpfte vorsichtig. Einlaufen ist extrem unökonomisch. Warum soll man schon vor dem Start Kraft verschleudern? Ordentlich wie ich bin, drängle ich in meinen Startblock C. Viele vollschlanke Sportsfreunde hier. Immerhin menschliche Weiche und Wärme.
Endlich Start. Ich bin offenbar der Einzige, der sich richtig eingeordnet hat. Alle um mich herum sind zu langsam, zu breit, johlen oder machen auf Superpower und kurven mir vor den Füßen herum. Einer versucht’s den ersten Kilometer mit Anfersen. Fühlt sich offenbar unterfordert, der Gute. Nie wünschte ich mir sehnlicher meine Autistenstrecke, ganz allein im Grunewald.
Auf den ersten vier Kilometern verliere ich wegen des Gedränges schon eineinhalb Minuten. Die geplante Bestzeit ist schon nach einem Fünftel der Strecke zum Teufel. Eigentlich kann ich jetzt auch die U-Bahn nehmen.
Die beiden Beutel mit Kohlenhydratschleim pieken in die Hüfte. Ich hätte doch die härteren Sohlen nehmen sollen. Der Däne vor mir leidet an fortgesetzter Läuferflatulenz. Mir ist schlecht. Bei Kilometer zwölf genehmige ich mir das erste Gel. Ich verschlucke mich natürlich. Spotzen auf die Straße. Apfel/Guarana und Fleischsalat passen prima zusammen. Das wird der nächste Trendgeschmack von Bionade. Mit einem Schuss Magensäure vielleicht.
Mona steht bei Kilometer 14, wie jedes Jahr. Sie brüllt auch immer das Gleiche. Entweder »Das schaffst du!« (Danke, Schatz, weiß ich selbst) oder: »Ist nicht mehr weit!« (Doch, Maus, ist es sehr wohl, sieben Kilometer, um genau zu sein). Wann geben Marathonveranstalter endlich Kurse für mitreisende Frauen, in denen die Kunst des sinnvollen Jubelns unterrichtet wird? Ich könnte ja jetzt nochmal richtig Gas geben. Leider sind die Beine schwer. Ich stelle das Denken einfach ein und ignoriere die Uhr. Im Ziel leichte Verblüffung. Die Zeit ist nicht doll, aber persönliche Bestleistung. Super. Schlechte Laune beflügelt offenbar. Und sie wird noch gesteigert. Direkt hinter der Klamottenaufbewahrung der Frauen, genau dort, wo mein Rad parkt, ziehen sich gerade drei Dutzend Sportsfreundinnen um, genauso hemmungslos wie ihre Schwestern, die hier vor zwei Stunden pinkelten. Ich will nicht hingucken, ehrlich nicht, aber ich kann einfach nicht anders. Flüchtiger Eindruck: Laufen macht nicht automatisch lecker. Ich bin vollständig am Ende nach dem ersten Wettbewerb des Jahres. Die einzig gute Nachricht: Steigerungen sind möglich. Und jetzt nichts wie ab in die Badewanne.
Fakten, Fragen, Tipps und Mythen zur Marathonvorbereitung
Eine alte Bodybuilderlegende besagt, dass Eiweiß aus Soja den Sexualtrieb bremse, weswegen buddhistische Mönche täglich mit Soja gemästet würden, als Zölibatassistenz. Am Ende tauschen wir alle nur Mythen aus, aber manche selbsternannten Experten bringen es weit damit. Und jetzt erst mal einen Eiweiß-Shake, auf Mona.
Was bedeutet Carboloading?
Morgen werde ich mich bewusstlos hungern, das soll die Speicher weiten. Dann vier Tage den neapolitanischen Rekord im Pastaschlingen
einstellen. Und am letzten Abend laut Läuferschleifer Greif eine Pizza mit Schinken und Paprika, weil da Wunderstoffe drin sind - Chrom und solche Sachen. Kann man notfalls auch unterwegs von einer Stoßstange schlabbern.
Wer viermal in der Woche und öfter trainiert oder sich auf einen Marathon vorbereitet, sollte möglichst bald nach dem Lauf die Kohlenhydratspeicher auffüllen, das fördert die Regeneration. Obwohl im Fett mehr Energie steckt, ist es für den Organismus bei körperlicher Aktivität günstiger, Kohlenhydrate zu verbrennen, da bei diesem
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