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Der Lavagaenger

Titel: Der Lavagaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Stoeckel
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Beiboot von Bord gekommen war, verlangte seltsamerweise von ihm zu wissen, wie man die Insel schnellstmöglich wieder verlassen könne.
    Keola lachte, deutete auf das bereits unter der Verladerampe liegende Schiff und bot sich als Begleiter an.
    Der Weißhaarige schüttelte energisch den Kopf, die Gläser seiner Brille blitzten in der Sonne. Er sah sich um und steuerte wortlos einen wackligen Holztisch an, der vor einer Bretterbude zu Food & Drinks einlud. Seine Begleiterin hob entschuldigend die Brauen und folgte ihrem Gatten. Nach kurzem Zögern gesellte sich Keola zu ihnen.
    Er sei ja, begann er, auch nicht von hier … Diese Arbeit hier, Keola machte eine vieldeutige Geste, sei etwas für Sklaven. Er, Keola Palaoa, sei aus Samoa und ein freier Mann, nicht nur das: Er sei der Nachfahre eines Königs.
    Im Nu war Malinowskis ethnologisches Interesse erwacht. Durch funkelnde Brillengläser betrachtete er sein Gegenüber wie ein seltenes Insekt. Er roch den Alkoholdunst,der Keolas Kehle entströmte. Mit ein wenig herablassender Skepsis hakte er nach: welcher König, etwa der von Samoa?
    Obwohl Malinowski selbst einem guten Tropfen nie abgeneigt war, hatte er eine heftige Abneigung gegen alkoholisierte Eingeborene. Vor vielen Jahren hatte er die Südsee schon einmal bereist. Mit einer kleinen Reproduktion des Malers Gauguin und etlichen Büchern im Koffer war er aufgebrochen, um auf einer Pazifikinsel mit der Natur im Einklang zu leben. Da dies in seiner Familie eher Kopfschütteln erregte hätte, reiste er offiziell nach Französisch-Polynesien, um ethnologische Feldstudien zu betreiben. Ein Kapitel dieser Studien blieb auch später ungeschrieben. Nur seinen Tagebüchern hatte er anvertraut, wie sich in seine anfängliche Euphorie über die üppig blühende Natur der Ekel mischte vor den Elefantenbeinen des Häuptlings. Und dass die Furcht vor jeder Mücke, sie könne ihm die Elephantiasis übertragen, schnell seine Genugtuung verdrängte, der Zivilisation (und ihren medizinischen Errungenschaften) entronnen zu sein. Dazu der zunehmende Widerwille vor dem Gestank fermentierter Brotfrüchte in den Hütten. Sich zu sehnen nach weißen Laken, dem Duft von Kaffee und frischen Brötchen. Wie er gleichzeitig Edelmut und Unschuld bei seinen Gastgebern vermisste, wenn sie begierig den Inhalt seiner Koffer begrapschten. Die Objektivität seiner Studien, notierte er, leide allerdings unter derlei Misslichkeiten nicht. Er lerne, diese Wilden zu betrachten wie kopulierende Hunde. Einen Satz später schalt er sich der Untreue einer fernen Freundin gegenüber, weil ihn am Vormittag der Anblick einer Insulanerin erregte, die im seichten Wasser Tintenfische aus ihren Höhlen zog. Als er sich eines Morgens bestohlen fand, geriet seinem Bleistift gar das Wort von den
niggers
aufs Papier. (Später ausgestrichen und mit der Anmerkung versehen:
ethnologisch unhaltbar!
)
    Malinowskis spätere Schriften enthielten nichts von der damaligen Enttäuschung, möglicherweise, weil er ahnte, dass er sich auch über sich selbst getäuscht hatte. Manche Seiten seines Tagebuchs aber waren voller Verachtung. Diese abtrünnigen Naturmenschen, schrieb er, verraten ihr Paradies für eine Zivilisation, in der sie nie ankommen werden. Fett und träge von Weißmehl und Zucker lungern sie herum und warten, dass die Kokosnüsse von den Bäumen fallen. Sie saufen und warten auf den nächsten Kopraschoner, der die getrockneten Kokosnusskerne abholt und dafür neues Mehl und neue Naschwaren bringt, damit sie noch fetter werden. Derweil, schrieb er, holt sich der Dschungel die Tarofelder zurück.
    Dann, geflohen auf die windige Nordostseite der Insel, schien er ihn endlich gefunden zu haben: den Edlen Wilden. Da der seeseitige Wind die Mücken vertrieb, blieb er bei dem alten Mann und einer Halbwüchsigen, die der Alte seine Adoptivtochter nannte. Beide waren die Letzten eines von einer Grippeepidemie hingerafften Stammes.
    Jetzt war Platz, auch auf dem Papier, für sein Glücksgefühl, mit dem Alten zu fischen, nach Wurzeln zu graben oder eines der halbwilden Schweine mit einer Schlinge aus Hibiskusfasern zu fangen. Dann wieder seine zweideutigen Spekulationen über das Verhältnis des Alten zu dem Mädchen, die Abscheu vor den eigenen Phantasien. Daneben notiert, Klagen über ein wachsendes Geschwür am Fuß. Diese gefolgt von Schwärmereien über eine halbe Nacht am Strandfeuer. Nach dem Verzehr eines im Erdofen gebackenen Schweins, die Geschichten des Alten

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