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Der Lavagaenger

Titel: Der Lavagaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Stoeckel
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zu hören, eine Schale Kava in der Hand, schrieb er, so müsste doch das Leben überall sein können. Tage später hastig hingekliert:
wieder am Strand, wieder Geschichten. Sein Vater, sagt der Alte, habe noch regelmäßig Menschenfleisch verzehrt!
    Malinowskis Entsetzen hatte die Buchstaben in schräge Fluchten getrieben:
Wie er da hockt und am Ferkelbein
nagt, mir ist, als könne es morgen einer meiner Knochen sein.
Und:
Sah heute mein Geschwür als Lebensversicherung. Einen Kranken wird er nicht essen. (Wie lächerlich!)
    Erleichterung, als dann einige Dorfbewohner von der Südseite kamen, um sich nach seinem Verbleib zu erkundigen. Schnaps hatten sie dabei.
Nun gut, wenn es sie friedlich stimmte. Futterten sich am Herd des Alten durch. Nun gut, sollte er die mästen.
    Der Alte schließlich, vom eingeflößten Branntwein verwandelt, sei krakeelend vor Malinowskis Hütte erschienen und habe gefordert, was die anderen ihm eingeredet hatten: Bezahlung für die bisher geleisteten Dienste. Da vom Feuer her die anderen lautstark den Alten angefeuert hätten, habe Malinowski ihm, wie einem Hund den Knochen, seinen Koffer vor die Füße geworfen und sich selbst in einer vor Tagen entdeckten Höhle verkrochen.
    Wie war ich froh,
schrieb er,
als anderntags der Priester von der Nachbarinsel auftauchte, um nach seinen wilden Schäfchen zu sehen. Ja, selbst der inzwischen zum Doktor avancierte Zumpfhagen, der sich in Begleitung des Missionars befand, erschien mir an diesem Tag als rettender Engel.
    Das allerdings hatte Malinowski nicht davon abgehalten, sich schon am nächsten Tag der Polynesier wegen mit seinem Widersacher zu prügeln.
    Seine heiße Leidenschaft für Ideen war geblieben, wenn auch seine Liebe für die Polynesier etwas abgekühlt war.
    Dennoch, ein Archäologe stieße in Malinowskis Seele auf einen unaustilgbaren Sehnsuchtsrest, in dem sich (vor sichtig , ganz vorsichtig) mit Pinsel und Fingerspitzen einige Buchstaben freilegen ließen. Mit nur etwas Geschick könnte der Archäologe diese Zeichen zu drei Worten scrabbeln: Liberté, Égalité, Fraternité.
    Dem und einem ausgeprägten Intellekt war es zu danken, dass Malinowski seine Urteile stets zu revidieren suchte. In alltäglichen und nervlich angespannten Situationen jedoch,wie der Ankunft auf Nauru, machte sich der Bauch zum Richter. Jetzt saß ihm eine nüchterne Vernunft bei, die Keolas genealogische Behauptung heftig bezweifelte.
    Keola, der dies spürte, war gekränkt. Nun, vielleicht sei er nicht Nachkomme eines Königs, doch zweifellos stamme er aus jenem Geschlecht, das – unter anderem – die hawaiischen Inseln als Erstes besiedelte.
    Malinowski konnte gar nicht so schnell hinter seiner Brille blinzeln, wie seine Gedanken auf und ab sprangen, den ethnologischen Faden zu erhaschen, den Keola nichtsahnend ausgeworfen hatte wie eine Angel.
    Erzähle, erzähle, flüsterte lippenleckend der Professor.
    Keola lehnte sich majestätisch zurück und erzählte, großzügig wie eine Gabe, eine Geschichte. Und er war sich ihres Wertes gewiss:
    Der göttliche Maui befuhr eines Tages mit einem Kanu Moana, das Meer. Es war ein guter Tag zum Fischen. Maui warf also seine Angel ins Meer. Nicht lange, da zuckte die Schnur. Maui zog, der Fisch musste groß, ja riesig sein.
    Was für ein Fang, dachte Maui und zog mit aller Kraft. Um ein Haar wäre sein Kanu gekentert, so schwer war der Brocken, der da an seinem Haken hing.
    Schließlich hatte Maui die Leine so weit eingeholt, dass er seinen Fang begutachten konnte. Aber wie staunte er, als es kein Fisch war. Es war ein gewaltiges Stück Land, so groß wie ein ganzer Kontinent …
    Malinowski rutschte aufgeregt auf seinem Stuhl hin und her. Ja, es schien, als hüpfe er.
    Das ist er, keuchte der Professor, das ist er: Rutas, der pazifische Urkontinent. Weiter, komm, erzähle weiter …
    Keola überlegte, ob er sich ein Bier zum Anfeuchten der Kehle wünschen sollte, doch dann siegte sein wiedererlangter Stolz.
    Als Maui aber das große Land aus der Tiefe emporgezogen hatte, weigerte Moana sich, ihm seinen Fang zu überlassen.Maui zog, und Moana hielt fest. So ging es hin, so ging es her. Schließlich zerbrach das große Land in viele Stücke.
    Eine der Inseln schenkte Maui den Menschen. Sie nannten ihre Heimat Hawaiki. Maui schenkte den Menschen auch das Feuer. Als Maui den Menschen auch noch die Unsterblichkeit schenken wollte, bestrafte ihn die Göttin der Nacht, die das ewige Leben verwahrt, mit dem Gefängnis

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