Der Lavendelgarten
seufzte tief. »Drücken wir’s mal so aus: Ich war sehr wütend auf ihn, habe versucht, ihn aus dem Wagen zu bekommen, und wollte, als er sich geweigert hat, wenden und nach Hause fahren. Da kam ein Verrückter um die Ecke gebraust und ist direkt in uns reingekracht. Man kann es so betrachten: Wenn ich mich nicht mit meinem Bruder gestritten hätte, wäre ich nicht dort gewesen. Aber letztlich war es einfach Pech, und ich kann Ihrem Mann nicht die Schuld dafür geben. Nächste Frage.«
»Gibt sich Ihr Bruder Ihrer Ansicht nach seit dem Unfall besonders große Mühe, Ihnen das Leben so schwer wie möglich zu machen? Zum Beispiel indem er Pflegekräfte engagiert, von denen er weiß, dass Sie sie weder brauchen noch mögen? Und indem er die vor die Tür setzt, mit denen Sie gut zurechtkommen?«
»Ja.«
»Tut er das Ihrer Meinung nach nur, weil er es kann, oder steckt etwas anderes dahinter? Schikaniert er Sie, damit Sie dem Hausverkauf zustimmen?«
Schweigen. Alex nahm einen Schluck Wein und sah sie nachdenklich an. »Wahrscheinlich. Das Haus gehört uns beiden, und zum Verkauf braucht er meine Zustimmung. Doch die will ich ihm aus unterschiedlichen Gründen nicht geben. Wäre das alles?«
Emilie warf einen Blick auf ihre Liste. »Ja.«
»Ihnen ist hoffentlich klar, dass mein Bruder auf dieselben Fragen das genaue Gegenteil zur Antwort geben würde?«
»Ja. Aber Sie dürfen nicht vergessen, Alex, dass ich Augen und Ohren und ein Gehirn habe.«
»Arme Em«, sagte Alex. »Sie stecken mitten in einem Katz-und-Maus-Spiel, in dem Sie nicht wissen, wem oder was Sie glauben können.«
»Ersparen Sie mir die Gönnerhaftigkeit, Alex«, rügte Emilie ihn. »Ich versuche lediglich, mir über die Fakten klar zu werden. Inzwischen weiß ich, dass Sie beide nicht so sind, wie Sie auf den ersten Blick erscheinen.«
»Das stimmt allerdings. Tut mir leid, wenn ich gönnerhaft geklungen habe. Sie tun mir tatsächlich leid. Noch Wein?«
Emilie ließ sich nachschenken. »Warum bleiben Sie hier? Sie behaupten, Sie hätten Geld. Es wäre doch sicher unkomplizierter für Sie beide, wenn Sie sich darauf einigen könnten, das Haus zu verkaufen und getrennte Wege zu gehen?«
»Das wäre die vernünftige Lösung, doch die berücksichtigt nicht die Gefühle. Der sehnlichste Wunsch meiner Großmutter war es, dass wir Brüder uns versöhnen. Sie dachte – leider falsch –, dass sie uns das erleichtert, wenn sie uns Blackmoor Hall gemeinsam vermacht«, erklärte Alex. »Ich habe es wirklich versucht, aber es funktioniert nicht. Offen gestanden geht mir allmählich die Puste aus. Am Ende wird Sebastian die Oberhand gewinnen, das muss ich akzeptieren.«
»Warum will mein Mann das Haus unbedingt verkaufen? Er behauptet, dass er es liebt und irgendwie das für die Sanierung nötige Geld zusammenkratzen möchte.«
»Em, die Frage stellen Sie ihm lieber selber. Ich habe mich jedenfalls um eine Versöhnung bemüht, weil meine Großmutter sich die so sehr gewünscht hätte. Mein Verschwinden hat ihr sehr wehgetan.« Er seufzte. »Dabei habe ich Constance wirklich geliebt.«
»Sie wusste doch sicher, warum Sie gegangen sind?«
»Möglich. Der Fairness halber muss ich sagen, dass mein Bruder nicht für meine Drogensucht verantwortlich war. Die habe ich mir selber zuzuschreiben. Ich wollte den Schmerz über meine Verluste ausblenden und hatte den Punkt erreicht, an dem ich glaubte, dass in meinem Leben nie etwas klappen würde. Egal, was ich schaffte, egal, wie ich mich abmühte: Am Ende ging immer alles schief. Können Sie das nachvollziehen?«
»Ja.«
»Dass ich meiner geliebten Großmutter so wehgetan habe, werde ich mir nie verzeihen können. Meine Bemühungen, mich mit Seb auszusöhnen, sind der Versuch, etwas gutzumachen.«
»Verstehe«, sagte Emilie.
»Hören Sie, Em, dass mein Bruder ein Problem mit mir hat, bedeutet noch lange nicht, dass er keine funktionierende Beziehung führen kann. Ich möchte nicht, dass das, was in der Vergangenheit zwischen uns Brüdern vorgefallen ist, Ihre Einstellung zu ihm beeinflusst. Mich würde es freuen, wenn Sie und Seb glücklich miteinander werden.«
»Wie können Sie ihn, nach allem, was er Ihnen angetan hat, noch mögen?«
»Ich habe gelernt, dass es sehr schwierig ist, wenn man ständig das Gefühl hat, jemandem nicht das Wasser reichen zu können. Gerade Sie sollten das verstehen.«
Sie wurde rot. »Ja, wir haben alle unsere Geheimnisse und Schwächen.«
» Und Stärken. Seb besitzt
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