Der Lavendelgarten
der Rest des Hauses war.
»Willkommen in meiner bescheidenen Hütte.« Alex erschien an einer Tür auf der anderen Seite des Raums.
»Wie schön«, entschlüpfte es Emilie. Dieser Raum war genau so, wie sie ihn selbst eingerichtet hätte.
»Danke. Ich denke, wenn ich mein Leben schon eingesperrt verbringen muss, sollte ich mich in meinem Kerker wenigstens wohlfühlen. Finden Sie nicht auch?«
Emilie nickte.
»Emilie, das heute Nachmittag tut mir wirklich leid. Es war unverzeihlich. Ich verspreche Ihnen, so etwas wird nie wieder passieren. Können wir das Ganze bitte vergessen und uns auf die Zukunft konzentrieren?«
»Ja. Und ich möchte mich für die Ohrfeige entschuldigen.«
»Die war unter den gegebenen Umständen verständlich. Ich scheine eine seltene Begabung zu besitzen, Menschen wütend zu machen. Und ich gestehe, dass ich das manchmal durchaus bewusst tue. Das muss an der Langeweile liegen.« Alex seufzte.
»Das heißt, Sie stellen Menschen gern auf die Probe?«, fragte Emilie. »Treiben sie an ihre Grenzen? Sprechen laut aus, was andere nicht zu sagen wagen? Um ihnen den Boden unter den Füßen wegzuziehen, Hemmschwellen zu durchbrechen, die Oberhand zu gewinnen?«
» Touché , Madame.« Alex war beeindruckt. »Nach dieser scharfsinnigen Analyse und der Ohrfeige heute Nachmittag würde ich sagen, dass wir quitt sind, oder?« Er streckte ihr die Hand hin.
Emilie ergriff sie und schüttelte sie. »Ja.«
»Sehen Sie? Ich habe Ihre Kampfeslust geweckt, und Sie haben nicht klein beigegeben.«
»Alex …«
»Ja. Genug mit der mentalen Kriegführung. Ich hätte da eine sehr gute Flasche Raspail-Ay, die ich für eine besondere Gelegenheit aufgespart habe. Möchten Sie ein Glas?«
Die Aussicht, wieder den samtweichen Rhône-Wein zu schmecken, den sie so oft mit ihren Eltern getrunken hatte, war verführerisch.
»Nur ein kleines, danke«, sagte sie.
»Gut. Wenn es Sie beruhigt: Ich kann Ihnen versichern, dass ich meinen Alkoholkonsum im Griff habe. Aber mit ein bisschen Wein macht das Leben einfach mehr Spaß. Schließlich haben sich auch unsere Altvorderen das Dasein damit versüßt.« Alex drehte den Rollstuhl herum, um in die Küche zurückzukehren. »Sogar Jesus wurde bejubelt, weil er Wasser in Wein verwandelt hat. Und vom Mittelalter bis in die viktorianische Zeit haben die Menschen morgens eher ein auf Hopfen oder Trauben basierendes alkoholisches Getränk zu sich genommen als wie heute Kaffee. Das Wasser konnten sie nicht trinken, weil sie sonst an Typhus oder irgendeinem ekligen Parasiten gestorben wären. Sie haben dann den ganzen Tag über weitergesoffen, und am Abend waren sie völlig hinüber«, erklärte er schmunzelnd.
»Mag wohl sein.« Emilie schmunzelte ebenfalls.
»Was ist so schlimm daran, die harte Realität ein wenig abzufedern?«, fragte Alex. »Das Leben ist im Wesentlichen ein ziemlich langer und harter Weg auf den Tod zu. Warum sollten wir uns den nicht so angenehm wie möglich gestalten?«
Emilie war Alex in die kleine, moderne, zweckmäßig ausgestattete Küche mit blank geputztem Glas, Edelstahl und weißen Schränken gefolgt. Auf der niedrigen Arbeitsfläche stand die geöffnete, noch unberührte Flasche Wein.
»Aber alles in Maßen, stimmt’s?«, sagte sie und sah ihn an.
»Ja. Und das ist mir manchmal nicht so ganz gelungen«, gab Alex zu. »Doch jetzt habe ich mich im Griff. Wie Sie an meiner Wohnung sehen können, bin ich zum Kontrollfreak mutiert. Ich mag alles, auch mich selbst, so, wie es ist.«
»Und wie sieht dieses ›So‹ aus?«
»Gute Frage.« Alex schenkte den Wein ein und reichte Emilie ein Glas. »›So‹ ist einfach ›so‹. Es ist ein schwammiges Wort, das zahlreiche Möglichkeiten beinhaltet. Weil ich in meiner Jugend niemals auch nur in die Nähe eines ›Do‹ gelangt bin, ganz zu schweigen von einem ›Re‹, ›Mi‹ oder ›Fa‹, aus Gründen, über die wir uns ein andermal unterhalten können, geht es in dem ›So‹ meines Lebens für mich darum zu kontrollieren, was ich kann. Dazu gehört auch meine Umgebung.« Alex nahm einen Schluck Wein. »Falls Sie übrigens irgendwann den Eindruck gewinnen sollten, ich hätte zu viel getrunken, können Sie sich sofort aus meinen Klauen befreien und in Ihr edwardianisches Museum fliehen. Sie brauchen also keine Angst zu haben.«
»Ich habe keine Angst vor Ihnen, Alex«, erwiderte Emilie.
»Gut.« Alex hob sein Glas. »Auf Ihre Ehe.«
»Danke.«
»Und auf unser beider Neuanfang. Ich bin davon
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