Der Lavendelgarten
Château, die Sie erwähnt haben, würde ich gern sehen. Alte Bücher sind meine Leidenschaft.«
»Ich muss dafür sorgen, dass sie verpackt und eingelagert werden, bevor die Renovierungsarbeiten beginnen. Davor graut mir«, gestand sie. »Aber es ist wichtig.«
»Ihr Vater wäre bestimmt stolz auf Sie, Em. Schade, dass der große Name der de la Martinières aussterben wird – leider ist er das durch Ihre Eheschließung mit meinem Bruder faktisch schon.«
»Nein, Sebastian und ich haben uns darauf geeinigt, dass ich ihn behalte.«
»Aber wenn Sie zusammen ein Kind haben, wird es ›Carruthers‹ heißen, oder?«
»Bis dahin ist es noch ein langer Weg«, meinte Emilie und wechselte das Thema. »Soll Jo, während ich weg bin, im Haus schlafen? Beim Einstellungsgespräch hat sie sich bereit erklärt, das im Bedarfsfall zu machen.«
»Nicht nötig. Sie hat mir für Notfälle ihre Telefonnummer gegeben. Sie können mir vertrauen, Em. Ich komme wirklich allein zurecht.«
»Ich finde es traurig, dass Sie kaum aus dem Haus können, Alex. Fehlt Ihnen das?«
»Manchmal kriege ich tatsächlich einen Hüttenkoller. Aber wenn das Wetter besser ist, kann ich immerhin eine Runde durch das drehen, was von unserem schönen Garten noch übrig ist. Verraten Sie das, was ich Ihnen jetzt sage, bitte nicht Sebastian: Ich spiele mit dem Gedanken, einen behindertengerechten Wagen zu kaufen.«
»Sehr gute Idee. Und wenn ich von Frankreich zurück bin, hieven wir Ihren Rollstuhl in den Kofferraum des Land Rover und machen einen Ausflug. Hätten Sie Lust?«
»Sogar große.« Alex strahlte. »Ach, was würde ich für ein echtes Pint in einem Pub geben.«
»Okay, abgemacht«, sagte Emilie, die sich fragte, warum Sebastian ihm das nie angeboten hatte.
»Ich muss jetzt wieder an meinen Computer«, verkündete Alex und löste die Bremsen seines Rollstuhls. »Mich um die wachsende Familie meiner Ölaktien kümmern. Viel Spaß in Frankreich, Em. Erzählen Sie mir, was Sie Neues über meine Oma erfahren. Adieu und bonne voyage .«
Alex verabschiedete sich mit einem kleinen Winken.
Emilie hatte das von Sebastian empfohlene Taxiunternehmen angerufen und ließ sich zum Leeds Bradford Airport bringen. Als die Maschine abhob und über die graue Industrielandschaft Nordenglands in Richtung Frankreich flog, dachte Emilie an Sebastian, den sie vor ihrer Abreise gern noch erreicht hätte. Doch sein Handy war ständig auf Mailbox umgeschaltet, und bisher hatte er auf keine ihrer Nachrichten reagiert.
Obwohl Alex’ Äußerung über die Stimmungsschwankungen seines Bruders sie tröstete, hatte sie bis in die frühen Morgenstunden gegrübelt. Die Hundertachtzig-Grad-Wende vom liebevollen, stets besorgten Gatten zu einem Mann, der nicht einmal auf ihre Anrufe reagierte, war schwer nachzuvollziehen.
In Nizza schien die Märzsonne. Emilie holte den Mietwagen ab und fuhr durch die vertraute Landschaft zum Château.
Dort herrschte hektische Aktivität. Davor stand ein großer Lastwagen, und auf der Treppe wurde Emilie von der aufgeregten Margaux mit einer Umarmung begrüßt. »Madame, ich freue mich sehr, Sie zu sehen.«
»Gleichfalls.« Emilie erwiderte die Umarmung.
»Ich habe mein Möglichstes getan, um auftauchende Fragen zu beantworten, aber ich weiß nicht alles«, erklärte Margaux. »Sie haben schon mit der Bibliothek angefangen.«
»Wie bitte? Sie sollten doch nicht ohne mich beginnen«, rief Emilie aus.
»Das ist meine Schuld, Madame. Sie sind vor drei Stunden gekommen, und ich wollte nicht, dass sie Däumchen drehen.«
»Ist schon in Ordnung«, sagte Emilie hastig. »Jetzt bin ich ja da.«
»Möchten Sie nach der langen Reise etwas trinken?«, erkundigte sich Margaux.
»Ja, einen Tee. Könnten Sie ihn mir bitte in die Bibliothek bringen?«
»Natürlich, Madame.«
Als Emilie die Bibliothek betrat, musste sie feststellen, dass die Regale bereits halb leer waren. In der Luft lag der Staub von Jahrhunderten.
»Hallo«, begrüßte sie die vier oder fünf Leute, die damit beschäftigt waren, die Bücher in wasserdichten Kisten zu verstauen. »Ich bin Emilie de la Martinières.«
»Sehr erfreut, Madame.« Ein kräftiger Mann streckte ihr die raue Hand hin und stellte sich als Gilles vor. »Wie Sie sehen, kommen wir gut voran. Eine schöne Sammlung. Manche der Bücher sind sehr alt.«
Gilles erklärte ihr, dass sie jede Kiste mit der Nummer des dazugehörigen Regals versahen. »So kann man die Bücher später ohne Probleme an ihren
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