Der Leberwurst-Mörder
bis morgen. Ist mir auch lieber, wenn wir die Mails zusammen durchstöbern. Allein trau ich mich da nicht so recht ran.«
Am Abend schaut Jule einen dieser Filme, bei denen ich immer ganz eng angekuschelt bei ihr auf der Couch sitzen darf. Etwas mit Weihnachten und Liebe, ich mache lieber die Augen zu und döse. Trotzdem entgeht mir nicht, dass Jule sich zwischendrin schnäuzt, einige Tränchen abwischt und meinen Hals krault. Einmal flüstert sie dabei leise in mein Ohr: »Ach, Rika, ich wäre auch gern so richtig verliebt ...«
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Kapitel 7
Tee bei Karoline
Am nächsten Tag ist sie wieder die fröhliche Jule, die mit mir und den Katzenkindern spielt und sich über die tapsigen Bewegungen der Kleinen amüsiert. Um ihren Schreibtisch und diesen Stick macht sie einen großen Bogen, putzt stattdessen die Fenster und singt dabei lustige Lieder mit, die aus dem Radio kommen. Das Leben könnte so einfach sein, wenn meine Gedanken nicht immer wieder zu dem Mord an Liane zurückkehrten. Ich kann mich ja schließlich nicht mit Putzen und Singen ablenken. Dabei weiß ich, dass ich mir eigentlich um den Mord keine Gedanken machen muss, aber wenn ich
will,
dann muss ich doch.
Der Freitagnachmittag lächelt so sonnig, als ob der Sommer sich noch einmal von seiner besten Seite zeigen will, bevor er sich für dieses Jahr verabschiedet. Jule zieht wieder eines ihrer geblümten Kleider an, die ich so mag, und hat in ihrer Handtasche meinen Ball versteckt. Ja, das kann ich riechen und tänzele auf dem Weg in den Stadtpark immer so neben ihr her, dass ich diesen Spaß und Spiel verheißenden Duft nicht aus der Nase verliere.
Nach ein paar aufregenden Balljagden, bei denen sich all meine Sinne auf dieses kleine gelbe Ding mit Schnur konzentrieren, das Jule weit über die Wiese wirft, trabe ich glücklich neben ihr her, der Altstadt zu, wo Jule mich wieder an die Leine nimmt.
Aus den kleinen Läden und Cafés dringen so starke Düfte, dass auch Menschennasen sie wahrnehmen sollten. Ein kleiner Laden hat auf dem Gehsteig viele große und kleine Töpfe mit Blumen in allen Farben ausgestellt. Bienen summen um die Blüten herum.
Jule bleibt stehen, ihre Augen leuchten. »Oh, wie schön!« Sie greift nach einem kleinen Topf, der aussieht wie eine Minigießkanne und mit Lavendel bepflanzt ist. Dann schaut sie mich fragend an. »Na, was meinst du, Rika, ob der Fräulein Kossmehl gefallen wird?«
Wenn der Name der alten Dame genannt wird, beginne ich schon automatisch, mit dem Schwanz zu wedeln. Jule lacht und deutet dies als Zustimmung.
Ein paar Häuser weiter duftet es verführerisch nach frischen Waffeln und allen möglichen Eissorten. Ich bewege meine Schnüffelnase hin und her, um möglichst viele von den Düften aufzunehmen. Jule geht es wohl ähnlich, denn auch hier bleibt sie stehen und kauft eine Eiswaffel mit leckerem Vanille- und Erdbeereis. Wenn es so richtig warm ist, kühle ich, wie die Menschen, meine Zunge ebenfalls gern mit einem Eis ab. Am liebsten wäre mir natürlich Eis mit Pansen- oder Leberwurstgeschmack. Ersatzweise nehme ich aber auch mit Vanille vorlieb. Jule weiß das und lässt mich meist den Rest aus der Waffel schlecken.
Gerade als wir in der Turmstraße ankommen, biegt von der anderen Seite Mara um die Straßenecke. Bestimmt hat sie wieder vor der Metzgerei geparkt. Die beiden Frauen begrüßen sich, als hätten sie sich ewig nicht gesehen. Na ja, es waren immerhin fast fünf Tage. Jule reicht mir die Eiswaffel, von der sie nur ein winziges Stückchen abgebissen hat und auf deren Boden meine lange Zunge noch süße Reste vom herrlichen Vanilleeis findet. Zum Schluss ist die Waffel mit zwei, drei großen Bissen vernichtet.
Mara lacht. »Du verwöhnst sie.«
»Ach, was«, winkt Jule ab. »Schau doch mal, wie schlank sie ist. Kein Gramm Fett. Das rennt sie sich alles wieder vom Leib.«
Fräulein Kossmehl erwartet uns in ihrer Galerie. Sie sieht heute besonders hübsch aus für eine alte Dame. Ihr Wollkostüm ist rot und an den Säumen mit goldenen Vögelchen bestickt. Ein bisschen ähnelt sie damit dieser alten Königin, über die manchmal im Fernsehen berichtet wird. Die trägt auch keine Krone, sondern ein lustiges kleines Hütchen, genau wie unsere Gastgeberin heute. Fräulein Kossmehl verabschiedet gerade einen älteren Herrn, der mit einem großen Paket unter dem Arm und glücklichem Gesicht den Laden verlässt. Kichernd wie ein junges Mädchen sieht sie ihm nach. Er dreht sich
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