Der Leberwurst-Mörder
sollte ich mit in die Wohnung kommen und schauen, ob mir etwas auffällt. Das war so schlimm. In meinen Gedanken hab ich die arme Liane immer noch da liegen sehen. Die Schränke und Schubladen waren durchwühlt, alles lag auf dem Boden verstreut. Dabei hat Liane doch gar nichts Wertvolles besessen.«
Sie zögert wieder, ganz kurz nur, als wenn sie einen Augenblick überlegen würde, atmet tief durch, schnäuzt sich in ihr Taschentuch und fährt fort: »Gerade, als ich wieder in meiner Wohnung war und mich ein wenig beruhigt hatte, stand der Kommissar schon wieder vor der Tür und klingelte. Diesmal wollte er Lianes Keller sehen. Dort steht nichts außer ihrem Fahrrad und ein paar Gläsern selbst gemachte Marmelade. Und heute kam er schon wieder vorbei, um mir mitzuteilen, dass sie oben fertig wären, das Siegel wieder entfernt hätten und ich die Wohnung neu vermieten könnte.« Bei den letzten Worten knetet Karoline wütend das Taschentuch in ihrer Hand. »Die Wohnung neu vermieten! Liane ist noch nicht einmal beerdigt, geschweige denn ihre Wohnung ausgeräumt. Dieser Patullek hat das Feingefühl einer Straßenwalze!«
Mara nickt zustimmend und sieht auf die Uhr. »Oh, so spät schon. Vielleicht könnten wir dann schnell mal hochschauen?« Karoline springt auf und holt den Schlüssel zu Lianes Wohnung aus der Tasche ihres Königinnenkostüms, als hätte sie nur darauf gewartet, ihn uns zu übergeben.
»Ihr seid mir aber nicht böse, wenn ich nicht mitkomme?«, fragt sie zaghaft.
»Ist schon in Ordnung«, beschwichtigt Jule sie und wendet sich zum Gehen. »Mir ist ja selbst ein wenig bange zumute. Am besten, wir nehmen Rika mit.« Mit einem Grinsen setzt sie hinzu: »Sie ist ja ein gefährlicher Wachhund.«
Hat Jule sich da gerade über mich lustig gemacht? Na gut, ich werde genau aufpassen, und wenn ich etwas Verdächtiges bemerke, sofort gefährlich bellen.
Wir steigen die schmale Treppe hinauf, Mara vorneweg, dann komme ich, schwanzwedelnd natürlich, und hinter mir Jule, die mich an der Leine hält. Sie atmet deutlich hörbar ein und aus, sodass Mara stehen bleibt, sich umdreht und fragt: »Alles gut bei dir?«
»Ja, geht schon.« Jule versucht ein tapferes Lächeln. »Mir ist nur ein wenig mulmig, wenn ich daran denke, dass Lianes Mörder am Sonntag, genauso wie wir jetzt, hier hochspaziert ist.«
Genau! Da hat Jule recht. Einer der vielen Gerüche hier muss vom Mörder sein! Meine Schnüffelnase hatte am Sonntag schon alle Gerüche aufgenommen, die hier in der Luft hingen. In meinem Hundehirn abgespeichert, warten sie darauf, wieder abgerufen zu werden. So werde ich den Verbrecher erkennen und fangen.
»Ach, ich bin froh, dass wir Rika dabeihaben.«
Diesmal macht Jule keinen Scherz, gibt sich selbst einen Ruck, und weiter geht es.
Karoline hatte recht, es ist kein Polizeisiegel mehr an der Tür, und so hält uns nichts zurück. Oder doch? Maras Hände zittern, als sie den Schlüssel ins Schloss steckt. »Schon gut«, spricht sie sich selbst Mut zu, dreht den Schlüssel herum und öffnet mit einem Ruck die Tür.
»Gruselig«, flüstert Jule. »Nichts erinnert mehr daran, dass hier vor ein paar Tagen eine tote Frau gelegen hat.«
Für Menschen ist das wohl so, doch meine Hundenase kann den Tod immer noch riechen.
Ohne sich lange aufzuhalten, durchqueren die beiden Freundinnen den kleinen Flur. Jule betätigt jeden Lichtschalter, an dem sie vorbeikommt, als wenn das Licht die Schatten der Angst vertreiben könnte, die in den Ecken hocken. Wir gehen durch die Küche direkt in das winzige Wohnzimmer, wo eine durchgesessene Couch, ein Tisch und ein kleiner alter Wohnzimmerschrank stehen. Eine Wand ist schräg, wir befinden uns direkt unter dem Dach. Ein großes Fenster gibt den Blick über die Dächer der Stadt und auf unzählige Sterne frei. Genau unter diesem Fenster steht ein wackeliger, abgenutzter Schreibtisch, der sehr aufgeräumt aussieht. Leere weiße Blätter und drei Stifte, mehr liegt dort nicht.
»Schöner Blick«, bemerkt auch Mara, »aber nach Reichtum sieht es hier wirklich nicht aus. Ich möchte wissen, was der Einbrecher gesucht hat.«
»Und warum die arme Liane sterben musste«, ergänzt Jule. Wir drei sehen uns gründlich im Zimmer um. In dem alten Schrank, bei dem an den Kanten schon das Furnier abblättert, liegen kreuz und quer eine Handvoll Bücher. Die meisten liegen jedoch auf dem Boden. Spuren des Einbruchs.
»Schau mal, sie hat Stephen King gelesen. Ist alles nur
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