Der Leberwurst-Mörder
die ganze Zeit den Mund gehalten und Karoline nicht einmal unterbrochen.
Nun sagt sie leise zu Jule: »Kind, das ist ja wie im Fernsehen beim
Tatort
!«
Sie scheint ehrlich geschockt zu sein, indirekt mit einem echten Mordfall zu tun zu haben.
Und dann sagt sie noch etwas, das Karoline eben schon andeutete: »Vielleicht hat das Ganze mit dem Testament zu tun? Wenn nun irgendjemand nicht will, dass das Tierheim alles erbt?«
Jule nickt. Da sie nicht sehen kann, dass Karoline, die auf der Couch neben ihr sitzt, bei Carlas letzten Worten sehr blass geworden ist, sagt sie leise, fast wie zu sich selbst: »Wer würde denn erben, wenn es dieses Testament nicht gäbe?«
»Aber das ist es ja!«, bricht es aus Karoline heraus. »Darum hab ich ja das Testament gemacht. Ich hatte eine Schwester, Lisbeth. Sie war eine herzensgute Frau, doch sie heiratete den falschen Mann. Mein Gott, was hat sie sich abgerackert, um Hermanns Geschäft am Laufen zu halten, während er sich im Wirtshaus amüsierte.« Empörung klingt aus ihrer Stimme.
»Lisbeth starb, kaum dass sie fünfzig Jahre alt war. Ihr Mann soff sich wenig später zu Tode. Ihr gemeinsamer Sohn Rolf, also mein Neffe, wäre mein einziger Erbe. Doch dieser Tiermörder weigerte sich, mir zu versprechen, jährlich einen Teil der Mieteinnahmen dem Tierheim zu spenden.«
»Tiermörder?«, unterbricht Carla sie nun doch erstaunt.
»Ja, Tiermörder und Hundehasser. Mein Neffe wurde Metzger, wie sein Vater. Ihr seid wahrscheinlich an seinem Laden vorbeigekommen, Metzger Krumm in der Margritstraße. Er mag Tiere nur als Fleisch in der Pfanne.« Die alte Dame schüttelt sich. »Und da hab ich ihm direkt ins Gesicht gesagt, dass ich nun alles dem Tierheim hinterlassen werde.«
»Hm, das ergibt keinen Sinn«, meint Jule und schüttelt den Kopf. Auch ich verstehe nicht, wieso ein Tiermörder Liane umbringen sollte, wenn Karoline ihn doch sowieso enterbt hat.
»Nun, ich muss euch noch etwas gestehen«, setzt Karoline kleinlaut hinzu. »Mein Neffe wusste, dass Liane das Testament hat.«
»Du hast es ihm gesagt?« Carla sah sie erstaunt an. »Warum?«
»Das ist aber immer noch kein Grund, Liane umzubringen«, wirft Mara ein.
»Rolf kam vor zwei Wochen hierher, um mich um Geld anzubetteln. Er faselte etwas von Familienehre und dass sein Geschäft gerade nicht so gut liefe. Als ich mich weigerte, ihm etwas zu geben, bedrängte er mich, wenigstens das Testament zu ändern. Man könnte meinen, er hoffte auf meinen baldigen Tod!« Karolines Stimme klingt ehrlich empört. »Sonst hat er mich nie besucht. Ich blieb abweisend, und als er nicht gehen wollte, drohte ich, die Polizei zu rufen.
Er wurde wütend und brüllte, dass er wiederkäme, das Testament finden und mich zwingen würde, es zu ändern. Ja, und dann kam Liane gerade zur Haustür herein, hörte sein Gebrüll und stellte sich schützend vor mich. Rolf solle mich in Ruhe lassen, das Testament hätte sie an einem sicheren Ort versteckt, und wenn er sich noch einmal hier blicken ließe, würden wir die Polizei verständigen.« Sie schluchzte erneut. »Hätten wir das nur gleich getan, dann wäre Liane jetzt vielleicht noch am Leben.«
»Du hast hoffentlich Patullek von dem Testament und von Rolf erzählt?« Jule schaut Karoline mit ernstem Gesicht an.
»Nein, das konnte ich nicht, ich weiß doch nicht, ob wirklich mein Neffe derjenige war, der Liane umgebracht hat. Und außerdem hab ich mich so geschämt.« Sie schaut Jule flehend an. »Versteht doch, ich ... ich dachte, wenn es so war, wird die Polizei es schon herausfinden. Das ist ja ihr täglich Brot. Und dann kamt ihr mit eurer Geschichte von diesem Onlinedating und den Frauen.«
Oh je, hier ist wohl iniges ganz gehörig schiefgelaufen! Warum denken Menschen nur immer so kompliziert?
»Du musst der Polizei von dem Testament und von deinem Verdacht erzählen«, beschwört Carla die alte Dame, und Mara und Jule stimmen ihr zu. Es ist einer der seltenen Momente, in denen Carla, ihre Tochter und deren Freundin der gleichen Meinung sind. Jule bietet sich an, Karoline zum Hauptkommissar zu begleiten, als moralische Unterstützung sozusagen. Dankbar tätschelt die alte Dame Jules Hand und atmet tief durch.
»So, nun aber genug gegrübelt! Wer möchte noch ein Stück Erdbeerkuchen?« Carla schafft es tatsächlich, die Stimmung wieder fröhlicher werden zu lassen, und bald ist die Damenrunde voll damit beschäftigt, sich gegenseitig lustige Erlebnisse aus der
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