Der Leberwurst-Mörder
heftiger Schreck! Fast hätte ich vergessen, was ich hier und heute noch erledigen wollte. Vorsichtig erhebe ich mich und beginne, in der Wohnung umherzuschnüffeln, auf der Suche nach den beiden kleinen Kätzchen. Mit der Nase immer dicht am Boden, durchstreife ich die Küche der alten Dame, das Schlafzimmer und einen kleinen Raum, der aussieht wie eine Mischung aus Arbeitszimmer und Gästezimmer. Zumindest stehen ein Bett und ein Schreibtisch darin. Obwohl es überall nach den verschiedensten Katzen riecht, kann ich die Kleinen von gestern Abend nirgends entdecken.
Mit Erstaunen bemerke ich, dass ich mir tatsächlich Sorgen um die Kätzchen mache. Wo mag Karoline sie versteckt haben? Die Tür zum Bad ist als einzige verschlossen. Ich überlege kurz. Vier Frauen an einem Tisch beim Tee. Es kann nicht allzu lange dauern, bis die Erste von ihnen aufs Klo muss. Wenn ich brav hier warte, habe ich vielleicht Glück und kann schon bald einen Blick in Karolines Badezimmer werfen.
Die aus dem Wohnzimmer dringenden Gesprächsfetzen verraten mir, dass man dort immer noch um das eigentliche Thema herumredet. Jetzt dreht sich das Geplauder ums Fernsehen und wer der beste
Tatort
-Kommissar ist. Dazu habe ich meine eigene Meinung – nämlich keiner! Niemand von ihnen hat einen Hund, wie unrealistisch! Daher lasse ich die Damen diskutieren und lege mich lang ausgestreckt vor die Badtür und warte. Selbst wenn ich, was ich nicht hoffe, eindösen sollte, kommt niemand unbemerkt an mir vorbei.
Tatsächlich dauert es nicht lange, da höre ich Karoline
Zweite Tür rechts!
rufen, und im nächsten Moment taucht Carla auf. Sie lacht, als sie mich liegen sieht, öffnet die Tür und hebt einen Fuß, um vorsichtig über mich hinwegzusteigen. Doch ich bin flinker, erhebe mich blitzschnell und husche vor ihr ins Bad hinein, um meine Wohnungsinspektion zum Abschluss zu bringen.
Als hätten sie nur darauf gewartet, dass endlich die Tür aufgeht, kommen die beiden Katzenkinder heraus und an mir vorbeigeschossen, um nun ihrerseits in Karolines Wohnung auf Entdeckungsreise zu gehen. Neugierig folge ich ihnen, schnüffele ihrem Geruch nach und stelle schnell fest, dass sie nicht mit unseren drei Katzenkindern verwandt sind. Außerdem sind sie jünger als Frieda, Willy und Goldy. Sie bewegen sich noch viel tapsiger, und ich verspüre das wachsende Bedürfnis, sie liebevoll abzuschlecken.
Karoline ruft erfreut: »Ach, da sind ja meine neuen Babys!«, als wir drei ins Wohnzimmer gelaufen kommen. Wobei sich das Wort
Babys
sicher nur auf die beiden Kleinen bezieht, denn ich bin ja eine Dame.
Carla hat sich im Bad wohl sehr beeilt, um nichts von dem zu verpassen, was am Tisch geredet wird. Während die vier Frauen den Kätzchen ihre Aufmerksamkeit schenken, sie umherreichen und immer wieder Worte wie
süß
und
niedlich
fallen, verziehe ich mich unter den Tisch zu Flocke, der friedlich döst und nicht einmal bemerkt hat, dass direkt vor seiner Nase ein paar Kekskrümel gelandet sind. Die lasse ich mir nun schmecken. Wie es aussieht, kann das hier heute noch länger dauern.
Irgendwann verliert Jule die Geduld und platzt heraus: »Karoline, ich habe dein Testament gefunden!«
Der alten Dame fällt vor Schreck der Keks aus der Hand, den sie gerade elegant zum Mund führen wollte. Worauf ich ihn nicht ganz so elegant mit einer einzigen Bewegung schnappe und verschlucke. Hm ... wirklich fein. Jule, bitte noch mehr solche Ansagen und mehr Kekse!
»Wie? Was? Also ...« Karoline verhaspelt sich. »Ja, das wollte ich euch doch neulich schon erzählen, aber irgendwie hab ich mich nicht getraut, weil es mir peinlich ist.«
»Peinlich? Vor uns braucht dir doch nichts peinlich zu sein!« Carla schaut in die Runde mit einem Blick à la
Sind wir nicht alle eine große Familie?
Ich muss wieder an die Geschichte mit dem Rhabarberkuchen denken und kann mir ein innerliches Grinsen nicht verkneifen. Natürlich, Carla ist gar nichts peinlich, niemals und nirgendwo.
Carla und Mara setzen die Katzenbabys auf den Boden, um sich im Folgenden ganz auf die Worte der alten Dame zu konzentrieren. Mich wundert es überhaupt nicht, dass die Kätzchen sofort zu mir gekrochen kommen und sich an meinen Bauch kuscheln, wie unsere drei Kleinen zu Hause. Fast könnte man annehmen, ich trüge ein nur für Katzenkinder lesbares Schild mit mir herum, auf dem
Mama
geschrieben steht. Karoline schenkt noch einmal Pfefferminztee nach, wie um dadurch Zeit zu gewinnen. Dann
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