Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
wurden sie wie Spinat feilgeboten, und ich habe eine Handvoll gekauft, in eine Schachtel gelegt, die Schachtel in eine Tüte gepackt und sie so nach Hause getragen. Mama kommt in die Küche, schaut mich an und sagt zu mir: Was hast du gemacht? Und in der Tat, denke ich, was zum Teufel ist in mich gefahren, dieses ekelhafte Zeug zu kaufen? Schmeiß sie weg, sagt sie, tu mir den Gefallen. Ich greife in die Tüte, hole die Schachtel heraus und öffne sie. Die Schlangen sind nicht mehr da. Sie sind entwischt. Meine Mutter macht ein böses Gesicht und sagt: Los, jetzt finde sie.«
Margherita umklammert ihre Tasse mit den Händen. Heute Nacht hat sie zum ersten Mal von ihrer Mutter geträumt. Ich wüsste gern, ob sie sie in dem Alter gesehen hat, das sie jetzt erreicht hätte, wenn sie nicht gestorben wäre. Mütter, die so alt sind wie ihre Töchter, gibt es ja schließlich nicht.
»Was hat das deiner Meinung nach zu bedeuten?«
»Nichts«, lüge ich und schwenke meinen Kaffee in der Tasse. »Es hat nichts zu bedeuten.«
Wenn ich etwas kann, ist es, morgens die Treppe hinabzusteigen, obwohl ich keine Lust dazu habe, die Tasche an mich zu drücken, die mir von der Schulter hängt, die Haltung zu ändern, damit der Riemen nicht herunterrutscht, einen Euro für die Zeitung bereitzuhalten, zu vergessen, wo ich ihn hingesteckt habe, vor dem wartenden Kioskbetreiber danach zu suchen und schließlich einen Fünfeuroschein aus dem Portemonnaie zu ziehen.
Mit derselben Routine gehe ich dann zur Bushaltestelle, habe nicht die geringste Ahnung, wann und wohin die Busse fahren, und fordere somit jedes Mal das Schicksal heraus. Ich verstehe es, den bohrenden Blicken der Alten auszuweichen, das Stimmengewirr auszublenden, das mich umgibt und sich zwischen mich und das, was ich lese, einschleichen möchte.
Diese Fähigkeiten wurden gestern Morgen außer Kraft gesetzt, als ein hochgewachsener schnurrbärtiger Mann – derselbe, dem ich schon ein paarmal im Stehkaffee um die Ecke über den Weg gelaufen war und den ich vor der Sprechanlage hatte stehen und auf die vergoldeten Namensschilder hatte starren sehen – mich daran hinderte, in den Bus zu steigen und noch vor Unterrichtsbeginn in der Schule zu sein, um die Zeitung lesen zu können, bevor ich das Klassenzimmer betrat.
Er packte mich an der Hand und stellte sich vor: Wir sollten miteinander reden.
Eindämmen heißt die Parole.
Eindämmungsstrategien für den Notfall.
De Lucia blickte mich aus geröteten, übermüdeten Augen an.
»Ist das verständlich?«
Schnell las ich seinen Lehrplan durch: auf der einen Seite die Ziele, auf der anderen die notwendigen Hilfsmittel und Methoden.
»Vom Leguan ist darin nicht die Rede.«
Er schüttelte den Kopf.
»Wir sind uns ja noch nicht sicher, was den Leguan angeht. Und das ist ein offizielles Dokument. Es soll den Kollegen helfen, die im nächsten Jahr unsere Stellen übernehmen.«
Unsere Stellen, sagte er, meinte aber eigentlich deine Stelle : Ich bin diejenige, die nur vorübergehend hier arbeitet.
Andrea beendet gerade die Geographieaufgabe, die ich ihm gegeben habe. Seine Mitschüler sehen sich einen Dokumentarfilm an, haben aber schnell gemerkt, dass die ausgedehnten Sitzungen vor dem Fernseher nichts für ihn sind.
Ohne anzuklopfen, betritt Mattia das Klassenzimmer. Andrea fährt hoch und geht ihm entgegen, tippt ihm auf die Schulter, streift dann durchs Zimmer und berührt dabei die Tonarbeiten, die Bilder, die Stifte.
Mattia fängt an zu kichern.
»Lass das«, sage ich.
Andrea läuft um den Tisch herum, geht zum Bücherschrank, kehrt zum Computer zurück, versetzt dem Bildschirm einen Schlag.
»Aber was machst du denn da?«, lacht er höhnisch.
»Nichts. Was machst du überhaupt hier?«
»Wann kommt Petar wieder?«
»Morgen. Geh jetzt bitte wieder in die Klasse.«
Ich versuche, mich vor Andrea zu stellen, aber es ist unmöglich, er läuft rastlos umher. De Lucia gelingt es ebenfalls nicht, ihn zu beruhigen.
»Nein, bitte, ich will hierbleiben: Miranda hat gesagt, dass ich bleiben kann.«
Ich versuche, ihn zur Tür zu schieben.
Riccardi hat auf dem Bücherregal den alten Joghurtbecher mit den Schnipseln entdeckt und fängt an, ihn zu schütteln, will ihn aufkriegen.
»Andrea, gib mir den Becher, er gehört dir nicht. Wenn die Schnipsel verloren gehen, wird Davide böse.«
Plötzlich rennt Mattia an mir vorbei zum Fenster.
»Andrea ist verrückt, oder?«
Andrea brüllt. Der Becher landet auf dem
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