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Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giusi Marchetta
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ich sie, anstatt darauf zu antworten, in die Arme schließen muss: Es geht jetzt nicht mehr um einen Sieg, sondern um ein Unentschieden.
    »Ich habe viel darüber nachgedacht, ob ich bleiben soll. Du weißt ja, bei der Gewerkschaft und dem Protestkomitee an der Uni. Nur … Ich schaffe es nicht.«
    Ich verstehe, Anna. Wirklich. Wir müssen uns wehren.
    »Wir versuchen alles: Irgendwas wird schon klappen.« Das sage ich, und in diesem Moment glaube ich so sehr daran, dass mich nicht einmal die Gewissheit schreckt, beim Nachhausekommen die Schlange nicht mehr unter dem Heizkörper zu finden. Sie ist aufgewacht und kriecht jetzt durch die Zimmer, um nach mir zu suchen.
 
    Als ich zur zweiten Stunde die Schule betrete, ist alles bereits vorbei.
    Meriem hat im Flur auf mich gewartet, um mich in Kenntnis zu setzen. »Gehen Sie schon, ich bitte Sie.«
    Ich habe es so eilig, ins Direktorat zu kommen, dass ich ihn fast übersehe, wie er da niedergeschlagen auf der Bank gegenüber sitzt und liest.
    »Darf man erfahren, wie zum Teufel das passiert ist?«
    Petar schlägt das Comic-Heftchen zu, sieht mich an.
    Bevor er antworten kann, stoppe ich ihn, weil Miranda, die aus dem Büro tritt, direkt auf uns zusteuert. »Deine Mutter ist gleich da.«
    Wie ich sehe, begrüßen wir uns nicht mehr.
    »Was hat er getan?«
    Zu spät wird mir bewusst, dass diese Annahme jeden Verteidigungsversuch hinfällig macht.
    »Hast du gewusst, dass der kleine Prinz hier ein Messer hat?«
    Petar blickt auf seine Schuhe.
    »Natürlich nicht«, anworte ich.
    Miranda deutet in Richtung Innenhof.
    »Beruhige dich und denk doch mal an die Fortschritte, die Kierloy seit Anfang des Schuljahres gemacht hat. Die sind befriedigend.« Nur einen Moment lang dreht sie sich zu ihm um, wirft ihm einen Blick zu, der ihn erstarren lässt, dann verschwindet sie im Lehrerzimmer.
    Ich zerre Petar zum Fenster. Zunächst erscheint mir alles so wie sonst: die entlang des Gatters gepflanzten Bäume, der halb zerrissene Basketball-Korb rechts hinten, die Reihe der Mopeds auf den vorgezeichneten Parkplätzen.
    »Gib's mir, sonst kannst du was erleben«, sage ich.
    »Ich hab es weggeworfen«, erwidert er.
    Mopeds und Fahrräder stehen unnatürlich schief da: Irgendjemand hat seine Wut an den Reifen, Schläuchen, den knallbunten Seitenteilen ausgelassen.
    »Wie viele Tage hast du dafür gebraucht?«
    »Drei.«
    »Aber wie bist du überhaupt auf die Idee gekommen, ein solches Gemetzel anzurichten, darf man das mal erfahren? Du hast sie alle kaputtgemacht.«
    »Nicht alle. Ein paar«, antwortet er nach einer Weile. Er geht zur Bank zurück, setzt sich, das Comic-Heft taucht wieder zwischen seinen Händen auf.
    Dieser Junge ist wie ein Fisch im Meer. Das sind sie alle. Wir Lehrer segeln über sie hinweg, fischen ab und zu einen heraus. Aber wir haben keine Ahnung, was sich dort unten abspielt, wie diese Fische eigentlich leben.
    Ich setze mich neben ihn.
    »Idioten triffst du überall. Du darfst dir von ihnen nur nicht dein Leben zerstören lassen.«
    Sie sind wie Schlangen, Petar. Können nichts anderes als beißen, Gift versprühen. Er antwortet nicht.
    »In einem Monat ist das Schuljahr zu Ende. Du musst durchhalten: Lerne, benimm dich anständig. Du schaffst das schon.«
    Interessanter als ich ist in diesem Moment jedoch Groucho, Dylan Dogs komischer Assistent, der sich auf der Doppelseite, die Petar gerade aufgeschlagen hat, für seinen charismatischen Chef auszugeben versucht.
    »Ich rede mit den anderen Lehrern. Der Schulverweis wird nicht ins Gewicht fallen.«
    Petar hält die Augen gesenkt und den Mund geschlossen.
    »Dein Aufsatz hat mir übrigens gefallen.«
    Nach einer Weile klappt er das Comic-Heft zu.
    »Eine Sache habe ich aber nicht verstanden: Wir Italiener sagen Dinge, die wir dann nicht tun. Ist das etwas Positives oder etwas Negatives?«
    Er gibt keine Antwort.
    »Ist das gut oder schlecht?«
    Er zuckt mit den Schultern.
    »Ich weiß nicht. Es ist eben so.«
 
    Ich rase den Flur bis zur 1D hinunter, klopfe an und trete ein, bevor ich dazu aufgefordert werde. Miranda steht am Pult, durchbohrt mich mit ihrem Blick.
    »Ich habe der Klasse etwas mitzuteilen. Es dauert nur eine Sekunde.«
    Mehr als zwanzig Schüler heben die Augen von den Weidenkörben, die sie gerade basteln, sehen mir unruhig entgegen.
    »Ich weiß, dass sich einige von euch einen Spaß daraus machen, behinderte Mitschüler nachzuäffen, sich über sie lustig machen. Also, wenn ich einen von

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