Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giusi Marchetta
Vom Netzwerk:
euch das nächste Mal erwische, dass er Grimassen schneidet, bucklig oder hinkend herumläuft, um einen Mitschüler zu beleidigen, lasse ich denjenigen von der Schule werfen. Das schwöre ich euch.«
    Miranda will etwas sagen, doch ich komme ihr zuvor. »Und noch etwas: Wenn sich irgend so ein Hanswurst wieder mal erdreistet, so ein Spektakel zu machen, sollte er sich vor Augen führen, dass er einfach nur Glück hat, gesund zur Welt gekommen zu sein. Und dass sich das Glück im Laufe des Lebens auch wenden kann.«
    Fluchtartig verlasse ich den Raum, entziehe mich Mirandas bitterbösen Blicken. Mir zittern die Beine, die ichnicht bremsen kann, bis ich bei der Tür von Klassenzimmer 9 angekommen bin.
    Irgendwas wird schon klappen, denke ich.
 
    »Das hast du nicht wirklich gesagt.«
    »Doch.«
    Anna schüttelt den Kopf.
    »Du bist ja verrückt.«
    Sie ist stolz auf mich.
    Damit uns mehr Zeit bleibt, warten wir in einem Stehcafé im Bahnhof, das dem Bahnsteig am nächsten liegt, auf die Ankunft des Zuges.
    »Du kannst so viel studieren, wie du willst, es ändert nichts: Zu kapieren, was man mit den Schülern machen soll, ist schwer.«
    »Manchmal höre ich Biagini in meinem Kopf«, sage ich in einem Atemzug.
    Anna blickt von ihrem Kaffee auf. Wahrscheinlich rät sie mir gleich, einen Arzt aufzusuchen. Doch sie lächelt.
    »So wie ich ihn kenne, wird es nicht leicht sein, ihn wieder loszuwerden«, sagt sie, schweigt dann, um mir Zeit zu lassen, ihr die Frage zu stellen, auf die sie schon seit einer Woche wartet.
    »Gianni meldet sich nicht. Ich habe versucht, ihn anzurufen, aber das Telefon klingelt ins Leere.«
    Sie sagt nichts. Wartet darauf, dass ich fortfahre.
    »Hat er eine neue?«
    Ihr Seufzer scheint alle Luft in der Nähe aufzusaugen.
    »Könnte sein.«
    Wir gehen den Bahnsteig entlang. Hier ist die Luft nocheisiger. Ohne Rücksicht auf die Jahreszeit fing es an zu schneien, als wir aus dem Haus traten.
    »Ruf ihn noch mal an«, sagt sie. Der Schal, den ich ihr geschenkt habe, ist viel zu groß, sie versinkt darin. Wir umarmen uns in der Weise, in der sich auch alle anderen auf dem Bahnsteig umarmen: Ein Ritual von uns, die wir uns Freitag bis Sonntag beherbergen und uns dann für Monate oder Jahre verabschieden.
    Beim letzten Aufruf weicht Anna mit erhobener Hand zurück, der Trolley folgt ihr wie ein kleines Hündchen.
    »Besuch mich in Amerika«, ruft sie, während sich die Tür schließt und sie im Zug einsperrt.
 
    Der Wind wirbelt die Flocken durch die Luft, treibt sie in alle Richtungen. Die Piazza Castello ist weiß: Auf dem Boden, auf den Statuen und den Brunnen liegt Schnee. Niemand ist unterwegs. Die Leute sind verschwunden, wie im Märchen. Die Prinzessin schläft, weil eine Hexe sie verzaubert hat, daher schläft auch das Volk und wartet darauf, erlöst zu werden.
    Geh ran. Geh doch mal ran.
    Ich gäbe alles dafür, dieses Freizeichen nicht mehr hören zu müssen, das mich begleitet, während ich durch die Stadt laufe, unter den Arkaden Schutz suche, bis ich zu Hause bin.
    Geh ran, Gianni.
    Als ich endlich vor dem Tor stehe, kapituliere ich vor der Stimme des anonymen Anrufbeantworters und dem Schweigen danach. Offenbar bin ich selbst die Hexe.
    Ich wühle in meiner Tasche nach den Schlüsseln undfinde sie genau in dem Moment, als das Tor aufspringt und der Nachbar mit Schal, Regenschirm und über die Augen gerutschtem Hut herauskommt.
    Ich drehe mich um, schaue ihm nach und kann mich nicht beherrschen.
    »Warum gehen Sie nie ran?«
    Er hört mich nicht. Anstatt sich unter die Arkaden zu flüchten, überquert er die Straße, spannt seinen Regenschirm auf und bietet dem Schneesturm die Stirn.
 
    Die Heizkörper sind aufgedreht, die Fenster geschlossen, dennoch verfolgt mich die Kälte bis in die Wohnung, klebt mir am Körper. Ich stürze in mein Zimmer, suche etwas Warmes zum Anziehen, um sie fürs Erste zu vertreiben.
    Alle Kartons sind verschwunden: keine unter dem Tisch, keine unter dem Bett, keine neben der Kommode. Ich öffne die Schranktür: Da stehen sie alle, einer neben dem anderen, auf montierten Regalbrettern.
    Ein mit Tesafilm befestigtes Bild von »Kumpel Christus« fordert mich auf, den Mut nicht zu verlieren. Unterschrieben ist es mit Savarese & Jesus (der Zimmermann).

17
    »Ich war auf dem Markt. Mit Tüten bepackt komme ich nach Hause, stelle sie auf den Tisch und rufe meine Mutter. Ich weiß, dass es absurd ist, aber ich habe ein Bündel Schlangen gekauft. Auf den Marktständen

Weitere Kostenlose Bücher