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Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giusi Marchetta
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nickt mir zu.
    Willkommen. Alles ok?
    Ja.
    Einfache Aufgabe?
    Na ja.
    Na komm. Es ist eine einfache Aufgabe.
    Nach wenigen Minuten ertönt die Pausenglocke, die Schüler stürmen auf die Gänge, Petar gibt ab.
    »Er ist wirklich gut geworden«, gibt die Lehrerin zu.
    »Ja«, bestätige ich. Akzente, Silbentrennung, Verben: Es ist ein ausreichend.
    »Sagen Sie …?«
    Ich gehe zu ihm zur Tür.
    »Wenn es so weitergeht, wenn ich aufhole? Wenn Sie mit den Lehrern sprechen …« Zu viele »wenn«. »Mach weiter so. Du wirst aufholen. Ich spreche mit den Lehrern.«
    Petar steckt die Hände in die Hosentaschen. Begeisterung kennt er nicht.
    Ich lege ihm eine Hand auf die Schulter: Wir müssen enthusiastisch sein, Petar, und uns freuen, wenn diese Sache gut läuft, denn wir haben sie zum Laufen gebracht.
    Ich will diesen Gedanken laut aussprechen, schaffe es aber nicht.
Ich sehe eine Gruppe von kleineren Jungen, die vor den offenen Fenstern steht und alte Ängste in mir auslöst. Ich sehe Tommasos Rücken auf der Fensterbank und renne zu ihm, packe ihn am T-Shirt, ziehe ihn zu mir heran: Es ist Mattia.
    »Was zum Teufel machst du da? Du sollst dich nicht rausbeugen, das ist gefährlich.«
    »Keine Angst«, sagt er und streicht sich das verknitterte Shirt glatt. »Ich bin ja nicht doof.«
 
    Erst vor Kurzem ist mir aufgefallen, wie häufig ich mich nach dem Alter von Leuten erkundige, die erfolgreich sind.
    Mit wie vielen Jahren hat diese Person es geschafft, eine gesellschaftlich angesehene und ökonomisch abgesicherte Position zu erreichen, indem sie das tat, was ihr Spaß machte, wo ihre Talente lagen, worauf sie sich jahrelang vorbereitete, sei es, dass sie tanzte, sang, Spülbecken reparierte oder hochkomplizierte Steuermodelle erstellte?
    »Keine Ahnung«, schreit Margherita. »Mit sechsundzwanzig. Oder achtundzwanzig.«
    »Absurd.«
    Die Sängerin, die dort auf der Bühne ihrer Gitarre rasende Akkorde entlockt, umringt von einer Fangemeinde, könnte jünger sein als ich.
    Sie ist Amerikanerin und vielleicht lesbisch. Die Musik ist so unerhört neu, dass ihre CD nur in einigen europäischen Ländern verkauft wird.
    »Komm.«
    Während die Menge euphorisch applaudiert, nimmt mich Margherita an der Hand; wir gehen so nah an der Sängerin vorbei, dass ich den Schriftzug auf ihrer Gitarre lesen kann: Kingdom come . Das Königreich komme.
    Vor einigen Monaten erfuhr sie von ihrem Manager, dass sie nach Europa reisen und Paris, Amsterdam, Berlin, Barcelona und noch ein paar andere Städte besuchen würde. Jetzt spielt sie zwischen dem Schlagzeuger und dem Bassisten mit geschlossenen Augen und der Angst, Fehler zu machen, obwohl das niemand merken würde.
    »Sie ist geil!«, brüllt mir Margherita ins Ohr.
    Sie ist jung, denke ich.
    Am Ausgang kaufen wir die CD und hören sie, kaum zu Hause angekommen, in voller Lautstärke; es ist Samstag, niemand kann sich beschweren. »Echt gut«, sagt Margherita und trinkt den Rest ihres Bieres.
    »Weißt du, dass ich vor ein paar Jahren in einer Band in Pavia die Bassgitarre gespielt habe?«
    Wir sollten ernsthaft darüber nachdenken, eine Band zu gründen.
    »Spielst du auch ein Instrument?«
    Nein, aber das ist egal. Darum geht es nicht. Die Leute fangen bei null an, machen unglaubliche Sachen: ziehen nach London, arbeiten nachts, ernähren sechs Kinder. Im Ausland gibt es tolle Leute, und sie wissen nicht einmal, dass sie toll sind.
    »Du bist betrunken«, entgegnet Margherita.
    »Ich muss mal jemanden anrufen«, sage ich. Margherita macht keine Anstalten, die Stereoanlage leiser zu stellen, und das kommt mir sehr gelegen. Stille kann ich nicht gebrauchen, die Musik passt ausgezeichnet, Gianni wird merken, dass mein Leben irgendwie weitergeht. Dass es mir egal ist, ob er eine neue hat, dass alles, was man verliert, irgendwann ersetzt oder vergessen wird, dass das, was uns behindert, überwunden wird, andernfalls überwindet es uns.
    »Geh ran«, sage ich zu der Stimme auf dem Anrufbeantworter. »Gianni«, füge ich nach dem Signalton hinzu, »lass von dir hören.«
 
    Eindämmen heißt die Parole.
    Ich lerne abzuwarten, bevor ich die Aufforderung, die Andrea sehr wohl gehört hat, wiederhole. Ich lerne, ihn nur leicht am Arm zu berühren, wenn Nicolini ihn beim Aufrufen der Namen übergeht und er fluchend den Rücken krümmt. Ich lerne, sein Kichern, das Gebrumme, das nervöse Zucken der Hand zu deuten.
    Riccardi ist ein Topf, der auf dem Herd kocht. Er benötigt einen Deckel und

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