Der Leichenkeller
–«
»Wo zum Teufel warst du in der Zeit? Was ist passiert? Wo ist Dulles?«
»Ich saß auf der Tribüne und habe ihm beim Spielen zugeschaut. Ich habe Andrew nicht einmal gesehen«, jammerte sie. Sie merkte, dass sich Graham über irgendetwas aufregte, das sie nicht gemeistert hatte. »Da sah Dulles auf und flippte übergangslos total aus. Andrew stand nur wenige Meter entfernt am Gitter und hat ihn angestarrt.«
Hoyt sah sich um. »Wo sind sie?«
»Es ist alles in Ordnung, Graham. Todd packte Dulles und lief mit ihm zum Boot. Ich … ich kam nicht so schnell hinterher. Ich wollte Andrew aufhalten, ihm den Weg abschneiden, damit er sie nicht einholen konnte.«
Sie zeigte auf ihre zerrissenen Hosen. Anscheinend war sie hingefallen und hatte sich das Knie aufgeschürft. Sie blutete leicht. Hoyt schien sich nicht für ihre Verletzung zu interessieren.
»Todd und der Junge – wo sind sie?«
»Sie sind auf der Pirate . Ich sah, wie die Yacht ablegte.«
»In welche Richtung sind sie gefahren?«
»Nach Norden.«
»Bist du sicher?«
Sie deutete mit dem Finger in die Richtung, in der sich in der Ferne das herrliche Stahlgerüst der George-Washington-Brücke wie gemalt gegen den blauen Himmel abhob.
Mike und ich machten uns mehr Gedanken über die Tatsache, dass Andrew Tripping angefangen hatte, seinem eigenen Kind aufzulauern.
»Haben Sie gesehen, in welche Richtung Tripping gelaufen ist?«, fragte Mike.
»Wir sind zusammengestoßen. Deshalb bin ich hingefallen. Er stand auf und lief –«
»Dulles hinterher?«, fragte Graham.
»Nein, nein. In die andere Richtung. Er lief auf ein schwarzes Auto zu, das bei den Taxiständen geparkt war«, sagte Jenna und zeigte mit dem Finger. »Dort drüben.«
»Haben Sie gesehen, wie er eingestiegen ist?«, fragte Mike.
»Ja.«
»Auf der Fahrerseite?«
»Nein, nein. Jemand hat im Auto auf ihn gewartet. Ein anderer Mann.«
Mike und Graham Hoyt sprachen gleichzeitig.
»Dieser Scheißkerl wollte uns Dulles wegnehmen. Ihn entführen. Mit einem Fluchtauto und allem«, sagte Hoyt und wandte sich ab.
Mike wollte wissen, wie der Mann in dem Auto ausgesehen hatte.
»Ein Weißer. Kurz geschnittene Haare, schmales Gesicht.«
»Lionel Webster.«
»Der eine Waffe hat, Mike«, erinnerte ich ihn.
»Kümmer dich um sie.« Er bat Jenna Hoyt, bei mir zu bleiben, bis er zurückkam oder uns wieder kontaktierte. Dann hastete er zu seinem Auto und sprach gleichzeitig in sein Handy.
Graham Hoyt lief in die andere Richtung, zu seinem schnittigen Schnellboot, das am Ende des Docks angebunden war. Jenna humpelte hinterher. Ich überholte sie und folgte ihrem Mann.
Auf halber Strecke den Pier hinunter stöhnte Jenna auf. Ich drehte mich um und sah, wie sie einen Krampf im Unterschenkel massierte. Sie winkte uns zu weiterzulaufen.
Graham Hoyt löste den Knoten, warf das Seil ins Boot und sprang hinterher. »Wir holen den Jungen«, rief er seiner Frau zu und streckte mir seine Hand entgegen.
Ich hüpfte an Bord. Er warf den Motor an und steuerte das Boot flussaufwärts.
38
Graham Hoyt jagte das Schnellboot mit Vollgas durch den Verkehr auf dem Fluss. Ich wurde gegen den Sitz geschleudert, und die kalte Gischt spritzte mir ins Gesicht.
Hoyt drehte sich zu mir um. »Bleiben Sie unten, okay?«
Ich nickte.
Er griff mit der linken Hand nach einem Walkie-Talkie, um seinen Captain anzupiepsen.
Sekunden später kam die Antwort, dass er auf Empfang war.
»Wir sind im Tender und versuchen, euch einzuholen. Ist mit Dulles alles in Ordnung?«
Das Funkgerät knisterte, als der Captain antwortete, dass es dem Jungen gut ging.
Hoyt erkundigte sich, wie weit sie uns voraus wären, und ich glaubte die Worte »Spuyten Duyvil« zu verstehen – eine Flussenge, nur ein paar Meilen nördlich von uns. Er legte das Funkgerät aufs Armaturenbrett, drehte sich lächelnd zu mir um und drosselte die Geschwindigkeit. Ich hatte mich mit flauem Magen fest an die Sitzkante gekrallt. Jetzt ließ ich etwas lockerer.
»Es geht ihm gut, Alex«, schrie Hoyt über den Motorenlärm und grinste mich an.
Ich rief vom Heck des Bootes aus zurück: »Man merkt jedenfalls, dass Sie beide wild entschlossen sind, ihn da durchzubringen.«
Er war jetzt entspannt. »Ich hoffe nur, dass Jenna Andrews Dummheiten aushalten kann, bis die Adoption rechtskräftig ist. Ich habe einen Haufen Geld für Kinderhilfsorganisationen auf der ganzen Welt gespendet, Alex. Es ist Jennas Passion, und wir haben es gern getan. All diese
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