Der Leichenkeller
»bezüglich Vernachlässigung und Misshandlung. Es muss alle achtzehn Monate in einer Anhörung über die weitere Fürsorge des Kindes entschieden werden.«
»Haben Sie alle Unterlagen der zuständigen Behörden, Ms. Cooper?«, wandte sich Moffett an mich.
»Nein, Sir. Nur die medizinischen Berichte vom Krankenhaus, von dem Morgen, an dem Ms. Vallis die Vergewaltigung gemeldet hat.«
»Sie beide«, sagte er mit einer Handbewegung zu Taggart und Irizarry. »Warum können Sie der Staatsanwältin nicht alle Ihre Berichte geben? Sie muss ihren Job machen.«
Taggart schürzte die Lippen. »Wir haben große Bedenken, was die Vertraulichkeit des Materials angeht. Die Pflegeeltern möchten nicht, dass ihre Identität bekannt wird, und wir möchten den Aufenthaltsort des Kindes nicht preisgeben – zu dessen eigener Sicherheit.«
»Dann redigieren wir die Papiere. Wir nehmen einfach die Eigennamen und Ortsangaben raus.« Taggart und Irizarry steckten die Köpfe zusammen, um sich über den Vorschlag des Gerichts zu beraten.
Tripping war jetzt aufgeregt. Er kritzelte wie wild etwas auf einen Block und hielt Robelon den Zettel unter die Nase.
»Können Sie wenigstens über die psychologischen Befunde referieren, damit ich hier eine Entscheidung treffen kann?«
Taggart nickte Moffett zu. »Das werde ich Dr. Huang überlassen.«
Ich stand auf. »Euer Ehren, ich schlage vor, dass die Zeugin vereidigt wird. Ich würde Dr. Huang ebenfalls gern einige Fragen stellen.«
»Setzen Sie sich, Ms. Cooper. Ich komme schon allein zurecht.«
»Mit allem Respekt, Euer Ehren, ich weiß mehr über die Vorgeschichte und bin eventuell besser in der Lage, das Kreuzver–«
Er funkelte mich wütend an, und ich setzte mich. »Stellen Sie mich nicht auf die Probe, Ms. Cooper. Ich habe noch immer ein paar Tricks in meinen weiten Ärmeln. Ich bin nicht nur auf Grund meines guten Aussehens so weit gekommen.«
Die schwere alte Tür in meinem Rücken krächzte, und ich wandte mich um, um zu sehen, wer da eintrat. Zwei identisch gekleidete Männer kamen Schulter an Schulter herein und setzten sich in die letzte Reihe der Brautseite, hinter mich. Falls Saturday Night Live einen Sketch über Geheimagenten hätte drehen wollen, hätten sie den Part mit diesem Pärchen besetzt. Dunkle Brillen, Anzüge aus dem Staatsfundus mit langweilig gemusterten Krawatten und Haarschnitte aus dem örtlichen PX-Laden.
Ich konzentrierte mich wieder auf die Verhandlung. Huang stellte sich vor und schilderte Dulles’ Background, angefangen vom Tod seiner Mutter kurz nach seiner Geburt über die Tatsache, dass er bei seiner Großmutter aufgewachsen war, bis hin zur Unterbringung bei seinem Vater nach derem Tod.
»Es war meine Empfehlung, dass es zwischen Mr. Tripping und seinem Sohn keinerlei Besuche oder Kontakt geben sollte. Zwischen den beiden existiert eine starke Bindung, aber sie ist pathologischer Natur. Dulles hat Angst, seinen Vater zu verlieren« – sie hielt inne und blickte zu dem Angeklagten hinüber –, »aber er hat noch mehr Angst vor dessen Strafen.«
Tripping flüsterte Peter Robelon etwas ins Ohr, während Frith versuchte, ihn sanft wegzudrücken, damit Robelon der Verhandlung folgen konnte. Tripping kümmerte sich nicht um Emily Frith; er wusste, dass sie nur zur Dekoration am Tisch saß.
Robelon unterbrach Huangs Schilderung und kramte in seinen Notizen. »Ihre Kollegin, eine gewisse Ms. Plass, wenn ich mich nicht irre, sah den Fall völlig anders. Ihrer Meinung nach wäre es gut, ein Besuchsrecht zu vereinbaren, weil das Kind seinen Vater bewundert und weil nach Ablauf dieser Verhandlung ohnehin versuchsweise ein Besuchsrecht eingeräumt werden wird.«
»Sie kommen später dran, Mr. Robelon«, sagte Moffett. »Erst möchte ich hören, was Dr. Huang zu sagen hat. Hatten die beiden regelmäßigen Kontakt?«
»Telefonisch, Sir. Das war der Kompromiss, den wir erzielten.«
»Unter Aufsicht?«
»Nein, Sir. Aber es gab Vorschriften. Mr. Tripping war es verboten, die Beschuldigungen gegen ihn beziehungsweise irgendetwas, das mit dem Strafprozess zu tun hatte, zu erwähnen. Und es kam in meiner Anwesenheit zu zwei kurzen Treffen im Krankenhaus.«
Jetzt war ich ebenso aufgewühlt wie der Angeklagte. » Was? Wann war das? Seit der Anklageerhebung gegen Mr. Tripping ist ein Näherungsverbot in Kraft. Er sollte keinerlei Kontakt zu dem Jungen haben. Ich gebe nicht einmal dem Angeklagten die Schuld für diese Zuwiderhandlung – wie sich die
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