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Der Leichenkeller

Der Leichenkeller

Titel: Der Leichenkeller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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um und musterte Hoyt erneut. Das war das erste Mal in sechs Monaten, dass überhaupt jemand vorgeschlagen hatte, mir zuzuhören, um zu prüfen, ob mein Anliegen vernünftig war. Er lächelte mich an, und ich lächelte unwillkürlich zurück.
    »Wie wär’s, wenn Sie dem Gericht Zeit sparen? Wissen Sie, was ihr der Junge erzählen wird?«
    »Die Wahrheit, Euer Ehren. Dulles Tripping wird Ms. Cooper ganz einfach die Wahrheit sagen. Er wird sagen, dass er an dem Tag, an dem er Ms. Vallis kennen gelernt hat, Lacrosse gespielt hatte und von einem Schläger ins Gesicht getroffen worden war. So etwas passiert tagtäglich auf Spielplätzen überall im Land.«

5
     
    »Überleg dir gut, was du dir wünschst«, sagte ich zu Mercer und ließ einen Arm voll Prozessakten auf meinen Schreibtisch fallen.
    »Was ist passiert?« Er überließ mir meinen Stuhl und öffnete die Papiertüte mit unseren Sandwiches und zwei Flaschen Wasser.
    »Ich habe immer und immer wieder darauf gedrängt, mit dem Jungen zu sprechen, und jetzt sieht es ganz danach aus, als würde mir das endlich gelingen. Aber er ist eindeutig beeinflusst worden. Womöglich bin ich besser beraten, ihn im Prozess nicht zu verwenden.«
    Mercers Urteilsvermögen war gut. »Was hast du schon zu verlieren, wenn du mit ihm sprichst? Kämpf weiter um das Treffen. Wir wussten von vornherein, dass dieser Fall auf wackeligen Beinen steht. Du hast einen guten Draht zu Kindern. Eventuell wird er dich überraschen und auf etwas Wärme in seinem Leben reagieren.«
    »Der Richter möchte, dass wir heute Nachmittag mit der Geschworenenauswahl fortfahren und morgen unsere Eröffnungsplädoyers halten. Womit zum Teufel soll ich anfangen, wenn ich nicht einmal weiß, wie meine Zeugenliste aussieht?«
    Mercer biss in sein Roastbeefbaguette. »Mit dem, was du normalerweise machst, Coop. Zunächst tust du so, als hättest du kaum etwas. Dann steht Robelon auf und hackt darauf herum, dass du rein gar nichts hast. Dann ziehst du plötzlich einen Überraschungszeugen aus dem Sack. Intelligent, sympathisch, glaubwürdig – und schon hast du die Nase vorn. Bingo. Tripping ist geliefert.«
    »Das Wichtigste wäre, eine bessere Lösung für Dulles zu finden, sobald das alles vorbei ist. Ihn in eine stabile, liebevolle Pflegefamilie zu geben und von seinem verrückten Vater fern zu halten, bis er alt genug ist, aufs College zu gehen. Das wäre der wahre Segen eines Schuldspruchs in diesem Fall.«
    »Jetzt iss erst mal was.«
    Ich stocherte in den verwelkten Salatblättern aus dem Deli vom Broadway herum. »Du solltest den Gerichtssaal sehen. Fünf Anwälte, mich nicht eingeschlossen. Jeder hat ein Stück des Kuchens, und der ist noch lange nicht gegessen. Dann sind da diese beiden Anzugtypen – sie kamen heute einfach herein und setzten sich in die hinterste Reihe. Ich hab sie nie zuvor gesehen und kann mir keinen rechten Reim darauf machen, warum sie hier sind, aber sie sehen genauso aus, wie man sich Regierungsagenten vorstellt.«
    »Willst du, dass ich –?«
    »Nein, nein. Du kannst nicht mit ihnen reden. Du musst nächste Woche als Zeuge aussagen. Falls sie sich wieder blicken lassen, setze ich einen von unseren Polizisten auf sie an.«
    »Denkst du, dass die CIA nach wie vor an ihm interessiert ist?«, fragte Mercer.
    Ich hatte von der CIA per richterlichem Beschluss Trippings Akte angefordert, die aber, wie nicht anders zu erwarten, frisiert worden war. Es war klar, dass er dort einige Jahre gearbeitet hatte und nach dem Autobombenanschlag 1993 auf das World Trade Center im Nahen Osten tätig gewesen war. Dann kam die Anschuldigung, dass er angeblich an einem hirnverbrannten Plan beteiligt gewesen war, den Präsidenten umzubringen, der aber aufflog, bevor die Sache richtig Gestalt annahm. Die CIA schien jedenfalls ihre Akten über die ganze Angelegenheit verlegt zu haben.
    »Möglich. Sie haben nicht durchblicken lassen, dass sie auch nur im Gringsten an dem Beweismaterial interessiert wären, das du nach der Verhaftung in seiner Wohnung gefunden hast, oder?«
    »Aber das ist typisch. Wir legen ihnen etwas vor die Füße, und sie machen einen auf nonchalant, damit sie keine Gegenleistung erbringen müssen.«
    An dem Tag, an dem Tripping verhaftet worden war, hatte ich auf Grund der Informationen, die Paige Vallis Mercer und mir bei ihrer Vernehmung im Krankenhaus gegeben hatte, einen Durchsuchungsbeschluss erwirkt.
    Mercer hatte ihn noch am selben Abend ausgeführt.
    Trippings Wohnung

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