Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Leichenkeller

Der Leichenkeller

Titel: Der Leichenkeller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
Vom Netzwerk:
gingen die drei, vier Blocks zu einem kleinen Bistro in einer Seitenstraße.«
    Sie schilderte das Abendessen und die Unterhaltung. Ja, sie tranken jeder noch ein Glas Wein. Ja, sie unterhielten sich über ihr beider Privatleben. Andrew erzählte ihr, dass er verwitwet war und dass seine vor kurzem verstorbene Mutter bis zu ihrem Tod seinen Sohn großgezogen hatte. Nein, sie konnte sich natürlich nicht an alles erinnern, worüber sie gesprochen hatten.
    Ich würde argumentieren, dass der Großteil des Gesprächs bei diesem ersten Treffen nicht weiter von Bedeutung war und folglich leicht in Vergessenheit geraten konnte. Robelon würde ihren Mangel an Detailwissen dem dritten Glas Wein zuschreiben.
    »Um wie viel Uhr haben Sie das Restaurant verlassen, und wohin sind Sie gegangen?«
    »Ich sah, dass es spät wurde – es war nach zehn Uhr. Ich sagte Andrew, dass ich am nächsten Morgen vor acht Uhr im Büro sein müsste. Ich rief vor dem Restaurant ein Taxi, und wir verabschiedeten uns.«
    »Wer hat für das Essen gezahlt?«
    Sie sah mich an und wurde wieder rot. »Wir haben uns die Rechnung geteilt. Jeder hat für sich selbst bezahlt.«
    »Haben Sie sich geküsst?«
    »Nein.«
    »Gab es irgendeine Art von Körperkontakt – haben Sie sich berührt oder Händchen gehalten?«
    »Nein.«
    »Hat er nach Ihrer Telefonnummer gefragt?«
    »Nein.«
    »Hat er gesagt –«
    »He, Ms. Cooper«, sagte Richter Moffett. »Was ist mit der Emanzipation? Ms. Vallis, haben Sie ihn nach seiner Telefonnummer gefragt?«
    »Nein, Sir.«
    »Sprachen Sie darüber, dass Sie sich Wiedersehen würden?«, fragte ich.
    »Nein. Ich stieg in das Taxi, machte die Tür zu und fuhr nach Hause. Ich fand, dass es ein netter Abend gewesen war, aber das war alles.«
    »Wann hatten Sie das nächste Mal Kontakt zu Andrew Tripping?«
    »Ungefähr drei, vier Tage später, als er mich anrief.«
    »Wo waren Sie, als er anrief?«
    »In meinem Büro. Dibingham Partners«, sagte Vallis und sah zu den Geschworenen hinüber. »Meine Privatnummer steht nicht im Telefonbuch. Ich hatte Andrew gesagt, wo ich arbeite, und ich vermute –«
    »Einspruch.«
    »Stattgegeben. In meinem Gerichtssaal wird nicht vermutet, Ms. Vallis«, bellte der Richter die junge Frau von seiner erhöhten Position aus an, und sie zuckte erneut zusammen.
    »Entschuldigung, Euer Ehren.«
    »Würden Sie uns bitte erzählen, was der Angeklagte während dieses Telefonats gesagt hat?«
    »Es war ein sehr kurzes Gespräch. Ich sagte ihm, dass ich gleich zu einer Besprechung müsse. Er fragte mich, ob ich am nächsten Abend mit ihm essen gehen wolle, und ich sagte: ›Sicher.‹ Wir verabredeten uns im Odeon. Das ist ein Restaurant in der Nähe meiner Wohnung. Das war alles.«
    »Haben Sie die Verabredung eingehalten?«
    »Ja. Ich war vor ihm dort. Als Andrew kam, bestellten wir jeder ein Glas Wein und plauderten eine Weile vor dem Essen.«
    »Worum ging es in der Unterhaltung?«
    Paige Vallis beschrieb ein kühles, unpersönliches Treffen, in dessen Verlauf ihr Begleiter die meiste Zeit über sich selbst geredet oder sie über ihre politischen Ansichten ausgefragt hatte. Sie hatte nur das eine Glas Wein und bezahlte auch dieses Mal wieder selbst. Es gab erneut keine sexuellen Annäherungsversuche, als er sie um zehn Uhr nach Hause brachte.
    »Haben Sie den Angeklagten zu sich in die Wohnung eingeladen?«, fragte ich.
    »Dafür gab es keinen Grund. Ich dachte –«
    »Einspruch, Euer Ehren«, sagte Robelon.
    »Stattgegeben.«
    Hinter mir knarzte die schwere Eichentür. Ich sah weiterhin Paige Vallis an, aber sie hob bei dem Geräusch den Kopf, um zu sehen, wer eingetreten war.
    »Ms. Vallis, was haben Sie gesagt oder getan, als Sie vor Ihrem Haus angekommen waren?«
    Ihre Mundwinkel zuckten, und sie antwortete mit leiser Stimme. »Andrew fragte mich, ob er auf eine Tasse Kaffee mit hinaufkommen könne. Ich sagte ihm, dass das nicht möglich sei. Ich … äh … ich hatte Besuch. Das fällt mir gerade wieder ein, während ich versuche, mich an die Einzelheiten des Abends zu erinnern.« Sie sah mich an.
    Ich drückte den Füller in meiner Hand so fest, dass ich dachte, ich würde ihn kaputtmachen und die Geschworenen mit Tinte bespritzen. In all den Wochen, in denen ich Paige auf ihre Zeugenaussage vorbereitet hatte, hatte ich diese Erklärung noch nie gehört. Die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Besser spät als nie. Wer war dieser ›Besuch‹, fragte ich mich, und welche

Weitere Kostenlose Bücher