Der Leichenkeller
Ohren holen. Sie hören nur schwer, wenn ich Ihnen den Rücken zukehre. Das letzte Mal, als Sie sich zwischen mich und die zwölf Geschworenen gesetzt haben, haben Sie die ganze Zeit ungläubig die Augen verdreht und gerade so laut vor sich hin gemurmelt, dass sie Ihre Kommentare hören konnten.«
»Schluss jetzt, Sie beide«, sagte Moffett und wandte sich an Paige. »Junges Fräulein, glauben Sie, dass Sie etwas lauter sprechen können? Mr. Robelon muss alles verstehen, was Sie sagen.«
»Ich kann es versuchen, Euer Ehren.«
Er winkte uns zurück auf unsere Plätze, und ich setzte mein Verhör fort.
»Ms. Vallis, ich werde jetzt Ihre Aufmerksamkeit auf den Abend des zwanzigsten Februar lenken. Würden Sie uns bitte sagen, wo Sie an jenem Abend waren und wie Sie den Angeklagten kennen gelernt haben?«
»Sicher. Ich besuchte einen Vortrag im Council on Foreign Relations auf der Park Avenue. Ich bin Mitglied dieser Organisation, und ich hatte mich mit einer Freundin um sieben Uhr zu dem Vortrag verabredet. Danach wollten wir zusammen essen gehen.«
»Haben Sie diesen Plan eingehalten?«, fragte ich.
»Nein. Das heißt, ich bin zu dem Vortrag gegangen, aber das Flugzeug meiner Freundin konnte in Boston auf Grund des Schneetreibens nicht starten. Sie rief mich auf dem Handy an und sagte mir, dass sie es nicht schaffen würde.« Paige Vallis hielt kurz inne. »Nach dem Vortrag gab es einen Cocktailempfang. Ich kannte einige Leute, also beschloss ich, zu bleiben und ein bisschen zu plaudern.«
»Haben Sie auf dem Empfang irgendetwas getrunken?« Wenn ich es selbst zur Sprache brachte, würde es nicht danach aussehen, als wollte ich etwaigen Alkoholkonsum unter den Teppich kehren.
»Ich hatte zwei Gläser Weißwein. Ich habe nichts gegessen.«
»Hat Mr. Tripping Sie an jenem Abend angesprochen?«
»Einspruch. Suggestivfrage.«
»Abgelehnt. Ms. Cooper versucht nur, uns ein paar Hintergrundinformationen zu geben.«
Paige wartete darauf, dass der Richter sie bat fortzufahren. »Wir standen zu dritt zusammen und unterhielten uns über die Lage im Nahen Osten und über unsere persönlichen Erfahrungen dort. Andrew muss mich gehört haben –«
»Einspruch. Sie kann nicht wissen, was er gehört hat.«
»Stattgegeben. Sagen Sie uns einfach nur, was er gesagt oder getan hat.«
Die Einsprüche hatten ihre gewünschte Wirkung. Jedes Mal, wenn Peter Robelon Einspruch erhob, zuckte Paige Vallis zusammen, als hätte sie etwas Falsches gesagt.
»Andrew Tripping hat mit mir über Kairo gesprochen«, sagte sie. »Er wollte wissen, wann und warum ich dort gelebt hatte.«
Tripping wurde unruhig und versuchte, die Aufmerksamkeit seines Anwalts auf sich zu lenken. Robelon ließ ihn abblitzen und fuhr stattdessen fort, sich Notizen zu Vallis’ Zeugenaussage zu machen. Der Angeklagte beugte sich zu Emily Frith und flüsterte ihr etwas zu, wodurch einige Geschworene abgelenkt wurden.
»Worüber genau haben Sie sich mit ihm unterhalten?«
»Ich habe über die Arbeit meines Vaters gesprochen und ihm erzählt, woran ich mich aus meiner Zeit in Ägypten noch erinnere. Ich bin seit meinem High-School-Abschluss nicht mehr dort gewesen.«
»Wie lange haben Sie miteinander gesprochen?«
»Vielleicht eine halbe Stunde.«
»Haben Sie das Gebäude allein verlassen?«
Paige Vallis wurde rot und griff erneut zu dem Becher Wasser. »Nein, hab ich nicht. Andrew sagte mir, dass er in der Nähe ein nettes Restaurant kennen würde, und lud mich ein, mit ihm dort zu Abend zu essen.«
»Ist noch jemand –«
Ich hatte bereits zur nächsten Frage angesetzt, aber Paige Vallis wollte den Geschworenen ihre Entscheidung erklären. »Normalerweise mache ich das nicht. Ich meine, mit einem Mann mitzugehen, den ich nicht kenne. Aber ich kann mir keinen sichereren Ort vorstellen, um jemanden kennen zu lernen als eine Diskussionsveranstaltung mit den Mitgliedern des Council«, sagte sie und kicherte leicht.
Lachen kam nicht gut an in einem Vergewaltigungsprozess. Ich wusste, dass es nur eine nervöse Reaktion war, aber sie müsste es sich verkneifen. Ich hatte es ihr seit Wochen eingebläut. Entschuldigen Sie sich für nichts, was Sie getan haben. Erzählen Sie den Geschworenen nur die Fakten. In meinem Schlussplädoyer würde ich ausreichend Gelegenheit haben, auf ihr Urteilsvermögen zu sprechen zu kommen.
»War noch jemand dabei?«
»Nein. Ich verabschiedete mich von den Leuten, die ich kannte, holte meinen Mantel aus der Garderobe, und wir
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