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Der letzte Abend der Saison

Der letzte Abend der Saison

Titel: Der letzte Abend der Saison Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Kundenbesuch etwas länger hinzieht.«
    »Sie sind ein Poet der Straße geworden«, sagte sie.
    »Ich bin ein alter Mann geworden, der zu viele Kilometer zurückgelegt hat.«
    »Sie haben viel gedacht, haben aber nie darüber geredet.«
    Er antwortete nicht.
    »Warum nicht?«
    Er sagte nichts.
    »Haben Sie keine Familie?«
    »Nein.«
    Er fuhr noch weitere zwei Kilometer, ohne etwas zu sagen, bog dann bei einer Tankstelle ab und parkte vor der Cafeteria.
    »Auf die Toilette gehen«, sagte er. »Das ist etwas, was mit dem Alter kommt.«
    »Ich muss auch.«
    Als er zurückkam, wartete er auf sie. Sie kam mit einem Stück Schokolade und sie teilten sich die Schokolade vor dem Auto. Junge Frauen können essen, soviel sie wollen, dachte er, aber es scheint nicht viele zu geben, die das ausnutzen.
    »Sie müssen eine ganze Menge Zeit auf Tankstellen verbracht haben«, meinte sie.
    »Ja.«
    »Ich finde, dass sie durchaus schön sein können«, sagte sie. »Es gibt eine ganz besondere Ästhetik, im Zusammenhang mit Tankstellen.«
    »Wie alles andere haben auch die Tankstellen ihre Persönlichkeit verloren«, sagte er. »Sie haben ihre letzten Besonderheiten verloren und sehen alle gleich aus, genau wie die Autos, die alle so aussehen, als seien sie geklont.«
    »Aber es gibt doch sicher noch ein paar Perlen, oder?«
    »Ja.«
    »Sie müssten die doch kennen.«
    »Wenn Sie Zeit haben, können wir sie besichtigen«, sagte er. »Ich habe viel Zeit, zumindest ab nächste Woche. Aber es würde ein paar Monate in Anspruch nehmen.« Er leckte etwas Schokolade von seinem linken Zeigefinger. »Die Perlen sind dünn gesät.«
    Ein Auto wurde an ihnen vorbeitransportiert, vor der Werkstatt runtergelassen und in die Dunkelheit der Werkstatthalle gerollt. Die Passagiere warteten wie eine Begräbnisgesellschaft draußen vor der Tür.
    »Als ich auf der Straße anfing, machte die Zentral-Schmierung den Unterschied zwischen Bewegung und Stillstand aus«, sagte er nach einer Weile.
    »Ja klar«, meinte sie und lächelte.
    »Ölfilter gehörten damals so gut wie nie zur Grundausstattung. Das hieß, dass man das Motorenöl alle 1500 Kilometer austauschen musste, und wollte man, dass das Auto noch länger fuhr, dann absolvierte man viele Besuche beim Schmierdienst.«
    »Hm.«
    »Die Autos waren einfach dafür gebaut, dass man sie pflegte und oft überholte«, sagte er. »Und das zeigt ganz gut, wie die Gesellschaft damals beschaffen war und wie sie heute ist. Pflegte man den Wagen nicht, dann wurde das Fahrgestell unwuchtig. Ein Auto in den fünfziger Jahren hatte ungefähr fünfundvierzig Schmiernippel, an denen es alle 1500 Kilometer mit Chassisfett geschmiert werden musste.«
    »Da muss es ja ziemlich viele Schmierdienste gegeben haben.«
    »Das waren die Leute, die die Sache am Laufen hielten.«
    Die Begräbnisgesellschaft vor der Werkstatt bewegte sich Richtung Cafeteria. Die haben nicht vor, hier zu bleiben. Das Leben ist voller Überraschungen, wenn man unterwegs ist, dachte er.
    »Jedes Auto hatte einen Schmierplan mit den notwendigen Informationen«, sagte er. »Das war wie die Karteikarte beim Arzt.«
    »Sie fahren nicht sonderlich schnell«, sagte sie, nachdem sie ein paar Minuten Richtung Sonnenuntergang unterwegs gewesen waren.
    »Das ist nur jetzt so.«
    »Fahren Sie sonst schneller? Das passt nicht zu dem, was Sie erzählen.«
    »Nein.«
    »Ihre Tankstellen werden im Vorbeifahren zu verwischten Bildern«, sagte sie, »jedenfalls die, die es noch gibt.«
    »Das ist heute etwas anderes.«
    »Wie denn das?«
    »Früher gab es keine breiten Randstreifen in der Landschaft.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Die neuen Straßen bewirken vielleicht, dass wir schneller vorwärts kommen, doch die Landschaft wird, wenn wir vorbeifahren, lediglich zu einem Umriss und das beeinflusst uns, es hat mich beeinflusst und am Ende fahre ich einfach nur noch drauflos.«
    »Es wird nicht leicht für Sie werden, in den Ruhestand zu gehen.«
    Die Umrisse vor dem Fenster des Autos erschienen ihm deutlicher als sonst, weil er diesmal langsamer fuhr. Im Dunkel hinter dem Wildzaun konnte er eine kleine Gruppe Sommerhäuser sehen, die aussahen, als stünden sie zufällig dort. Ein Ferienort auf dem Weg nach Westen, zu den Menschen an der Küste. Er war schon an vielen solcher Gruppen von Sommerhäusern vorbeigefahren. Wie eine etwas heruntergekommene Familie sahen sie aus. Ich habe noch nie Leute vor ihnen gesehen, es sieht nicht so aus, als ob irgendjemand

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