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Der letzte Abend der Saison

Der letzte Abend der Saison

Titel: Der letzte Abend der Saison Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Zuvor auf der Brücke hatte ich dieses Gefühl nicht gehabt, aber jetzt packte es mich wie eine Hand aus einer schwarzen Wolke.
    Ich sehnte mich danach, endlich erwachsen zu werden, danach, dass diese Straße weit weg führen würde, in eine andere Zeit. Ich hasste es, Kind zu sein. Noch immer konnte ich nicht meinen eigenen Weg gehen, fort von dem, was schwer auf mir lastete.
     
    Als ich die nackten Füße auf den Asphalt setzte, brannten meine Fußsohlen. Meine Mutter kam zurück, kopfschüttelnd setzte sie sich auf den Vordersitz und zündete sich eine Zigarette an. Die Sonne war jetzt hinter einem Ahornbaum. Die Stimmen der Menschen, die an uns vorbeigingen, drangen in Fetzen herein. Mit der ansteigenden Dämmerung wurden die Autogeräusche hinter uns lauter.
    »Soso«, sagte meine Mutter, öffnete die Tür und warf den Rest der Zigarette auf den Asphalt. Die Gerüche der Cafeteria und der Imbissbude wehten herüber.
    »Er hat alles Geld«, sagte meine Mutter. »Bist du hungrig?«
    Ich wunderte mich, dass sie fragte, ob ich hungrig sei, wenn wir doch kein Geld hatten.
    Ich schüttelte den Kopf. Ich sah die Autos auf den Parkplatz kommen und nach einer Weile wieder wegfahren. Wir saßen und warteten darauf, dass mein Vater zurückkommen würde. Es wurde etwas dunkler, aber es war immer noch sehr warm. Es war unser dritter Urlaubstag. Meine Mutter schaltete das Radio mitten im Wetterbericht ein. Es würde gutes Wetter geben, soweit die Meteorologen voraussehen konnten.
    »Wir werden vielleicht im Auto schlafen müssen«, sagte meine Mutter.
    Ein Stück weiter die Straße hinunter gab es Fremdenzimmer, doch ohne Geld konnten wir nicht dort hingehen. Wir konnten nicht auf Kredit schlafen.
    »Wenn er sich nur nichts antut«, sagte sie.
    Die Sonne duckte sich unter die Äste und verschwand hinter einem Berg auf der anderen Seite der Schlucht. Ich stieg aus dem Auto und stellte mich an den Drahtzaun. Ich nahm einen Stein, warf ihn in die Schlucht und wartete auf das Geräusch, wenn der Stein aufschlagen würde. Doch ich hörte nichts. Als ich wieder aufsah, war die Sonne fort und alle Farben hatten sich verändert. Ich drehte mich um und meine Mutter war nur ein Schatten hinter der Windschutzscheibe.
     
    Das Bild kehrt immer wieder zurück: Ich drehe mich um und meine Mutter ist ein Schatten hinter der Windschutzscheibe, im letzten Licht des Nachmittags. Ich drehe mich um zu dem Schatten. Ich drehe mich um.
     
    Die Menschen, die hereinkamen und sich auf den entlang der Wände aufgestellten Bänken niederließen, hatten noch die Gerüche der Straße in den Kleidern. Ihre Gesichter waren mal schwermütig, mal aufgeregt. Alle warteten darauf, dass die Reise beginnen oder dass jemand nach Hause kommen würde.
    Auf einer Bank bei der westlichen Tür saßen drei Männer und er sah, dass sie von irgendetwas berauscht waren. Sie waren betrunken oder zumindest angetrunken, auf dem Weg zu mehr. Er konnte ihre Bewegungen von hier aus deutlich erkennen.
    Um die Männer herum war ein leerer Raum entstanden, ein Kreis des Schweigens.
    »Geh und sieh noch einmal nach.«
    Sie hatte eine Zigarette angezündet, ihre rechte Hand bewegte sich auf der Tischplatte.
    »Sie werden eine Durchsage machen«, erwiderte er.
    »Kann man sich darauf verlassen?« Er sah, dass ihr Fuß auf- und niederwippte. Der Schuh lag auf dem Fußboden.
    »Nein.«
    »Dann geh doch bitte und sieh nach.«
    »Das bringt doch nichts.«
    »Bengt.«
    Er stand auf und ging einmal quer durch den Raum und durch die westliche Tür hinaus. Einer der Männer sagte etwas zu ihm, aber er antwortete nicht.
    Im Wartesaal flimmerten die Computerbildschirme und er musste sich ganz schräg davor stellen, weil das Sonnenlicht so auf die Schirme traf, dass es schwer war, etwas zu lesen, wenn man direkt davor stand.
    Es gab nichts Neues bezüglich ihrer Abreise. Das kann sich nur noch um Stunden handeln, dachte er und ging zurück.
    In der Tür sagte einer der Männer etwas, aber nicht der, der ihn zuvor angesprochen hatte.
    »Ja?«
    »Hast du mal ein paar Kronen?«
    Er blieb stehen, die Hand war auf dem Weg zur Innentasche, aber er musste etwas sagen. Ich muss etwas sagen, aber eigentlich sollte ich besser die Schnauze halten, dachte er.
    »Wozu brauchst du die denn?«, fragte er. Aber es klang gar nicht wie eine Frage.
    Das ist der falsche Tonfall, dachte er.
    »Ein paar Kronen«, sagte der Mann auf der Bank und die beiden anderen, die dort saßen, sahen aus, als würden sie

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