Der letzte Agent
hatte, sagte: »Also, komm rein.« Er ließ mich vorbei.
Im Restaurant brannten nur die kleinen Lampen über der Bar. Es war nach der grellen Sonne fast stockdunkel. Hinter der Bar hockten drei Männer und tranken Kaffee.
Der Mann hinter mir knurrte: »Du gehst durch die Tür, auf der ›Privat‹ steht, und dann nach oben. Aber keine Fisimatenten, sonst bist du ganz schnell krank.«
»Schon gut.« Ich sah mir die Gesichter der Männer ganz genau an, um sie nicht zu vergessen. Sie hatten sehr harte, ausdruckslose Gesichter, und sicher waren sie allesamt hervorragende Rausschmeißer.
Hinter der Tür führte tatsächlich eine Holztreppe nach oben. An ihrem Ende war ein langer Flur. Links an einer offenen Tür stand Marga. Sie sagte: »Hier geht es lang. Ich bleibe dabei, damit eine Zeugin da ist.«
»Ist mir recht«, sagte ich.
Das Zimmer war erstaunlich groß, geräumig und hübsch möbliert. Sauter saß in einem kleinen Sessel an einem niedrigen Tisch und hatte ein Kännchen Kaffee vor sich stehen.
»Nehmen Sie Platz«, sagte er zittrig. Er war ein großer schlanker Mann, er war der Typ silberhaariger Macho, der so gut ankommt. Er war unter einer gesunden Bräune sehr blass, und seine Kiefer mahlten unentwegt. Er war aufgeregt, und er zeigte Furcht. Seine Hände zitterten, als er sich eine Zigarette ansteckte.
Marga nahm in dem Sessel neben ihm Platz, ich setzte mich gegenüber auf ein kleines Zweiersofa.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte er geschäftsmäßig.
Ich zog die Lederweste aus und stopfte mir eine Pfeife. Ich sagte: »Das wissen Sie doch längst. Auskunft geben.«
»Nehmen Sie es mir nicht übel. Aber wieso soll ich Auskunft geben? Über was, über wen? Und fünf Leichen? Ist das nicht ein bisschen wild?«
»Es ist verdammt wild«, bestätigte ich. »Der Kriminalrat Müller vom BKA hat Sie aus seinem Schutz entlassen. Heute morgen um sechs. Ich weiß nicht, wie Sie Ihren Beschattern entwischen konnten, aber Sie haben es geschafft. Ich gehörte nicht zu Ihren Beschattern, ich habe seit gestern abend hier auf Sie gewartet.«
Das wusste er schon, er warf einen schnellen Blick auf Marga. »Na schön, nehmen wir mal an, dass das stimmt. Mit welchem Recht fordern Sie Auskunft von mir?«
»Ich bin Journalist. Nicht die Sorte, vor der Sie Angst haben müssen. Ich bin durch einen merkwürdigen Zufall in die Geschichte hineingeraten. Ich bin der Mann, der den toten Volker in der Eifel fand.«
Er leckte sich über die Lippen. »Wieso sind Sie darauf gekommen, ausgerechnet hier auf mich zu warten?«
»Ich war bei Ihrer geschiedenen Frau. Ich habe sie gefragt, wo Sie sich verstecken werden, wenn Sie sich verstecken müssen. Sie sagte: ›Bei Marga!‹ Die beiden mögen sich, sagte sie. Hier bin ich also.«
»So was!«, sagte Marga, und sie klang ehrlich verblüfft.
»Nun gut. Und was soll ich Ihnen erzählen?« Er leckte sich beständig über die Lippen.
»Sauter, machen Sie es sich nicht so schwer.« Ich wurde langsam wütend. »Sehen Sie: Hinter Ihnen sind das BKA und der BND her. Aber außerdem sind Ihre Freunde hinter Ihnen her. Ich erwähne nur Dr. Bleibe in Chemnitz und Dr. Kanter in Düsseldorf. Sie haben nicht mehr viel Zeit, denn Müllers Leute wissen schon, wo ich stecke. Der BND und das BKA können nur versuchen, Sie abzuschirmen. Verhaften wird Sie kein Mensch. Aber die Leute um Bleibe und Kanter, besser gesagt, die alten Freunde, werden nicht damit einverstanden sein, Sie am Leben zu lassen. Deshalb sind Sie doch auch hierhergekommen, oder? Und ist es nicht auch eine Überlegung wert, dass auch die Leute vom BND sich möglicherweise heftig nach Ihrem Ableben sehnen?«
»Mal ehrlich: Wie viel wissen Sie?« Er setzte sich sehr aufrecht hin.
»Das kommt auf den Standpunkt an. Von Ihrem Standpunkt aus weiß ich wenig oder nichts. Aber von meinem Standpunkt aus weiß ich eine ganze Menge. Sie müssen sich auch nicht damit aufhalten, mir die langweilige Geschichte des Wirtschaftsspionagerings zu erzählen, der direkt unter Kanters Augen operiert hat. Ich spreche von Vera Grenzow, Jürgen Sahmer, Günther Schulze. Volker aus Chemnitz hat sie geführt. Das alles ist eine lahmarschige, betuliche, richtig deutsche Spionagerie, und es ist nur ein Viertel der Geschichte. Ich will die anderen drei Viertel.«
»Und was machen Sie damit?«
»Sie aufschreiben, was sonst?«
»Wie geht es meiner Frau und den Kindern?«
»Gut, ausgesprochen gut.«
»Und wenn ich nichts erzählen will?« Seine
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