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Der letzte Agent

Der letzte Agent

Titel: Der letzte Agent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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sagte ich. »Wir können ja auch telefonieren.«
    »Wozu sollen wir miteinander sprechen? Ich war wirklich zufällig dort.« Jetzt sah sie mich an und nichts in ihrem Gesicht verriet, was sie dachte. Ihre Augen waren braun und hart wie Kieselsteine.
    »Gut gesagt«, erwiderte ich sanft. »Sehen Sie, das glaube ich Ihnen nicht. Und ich möchte nicht unhöflich sein. Ich werde mich also später wieder melden.« Dabei sah ich sie so freundlich wie möglich an.
    Sie schien zu begreifen, dass ich vorhatte, wie eine Klette an ihr zu hängen. Sie rümpfte die Nase, sie schnaufte ein wenig und sagte dann: »Wieso glauben Sie mir nicht?«
    »Ich hasse nutzlose Diskussionen. Ich glaube es nicht, so einfach ist das«
    »Dann lassen Sie es sein«, sagte sie schroff.
    »Ich kann es seinlassen«, meinte ich. »Die Polizei wird es erfahren und es nicht seinlassen.«
    »Ich mag Journalisten nicht«, schnappte sie. Ihr Gesicht war ein wenig rot geworden. Es war eindeutig keine Liebe auf den ersten Blick.
    »Ich weiß nicht, was für Journalisten Sie kennen. Ich will nur wissen, warum Sie an dem Windbruch waren. Nichts sonst. Und Sie werden es nicht morgen in irgendeiner Zeitung lesen.«
    »Aber übermorgen?«, fragte sie bissig.
    »Übermorgen auch nicht«, sagte ich. »Ich kann Leute nicht leiden, die ständig über Journalisten herziehen und keine Ahnung von deren Beruf haben.«
    »Na gut, ein Glas Wasser lang«, sagte sie, drehte sich herum und ging die Treppe hinauf. Sie war vielleicht dreißig Jahre alt, vielleicht auch fünfunddreißig, und sie war die typische Besitzerin einer Zweitwohnung in der Eifel: Das Grün und die Stille genießen, aber um Gottes willen keine Verbrüderung mit dem ungebärdigen Bergvolk.
    Es war ein großer Raum mit einer Matratze in der Ecke. Die Bettwäsche bestand aus malvenfarbiger Seide. Eine lederne Sitzecke, ein Küchentisch, eine Nische mit einem Elektroherd, daneben die Tür zum Bad. Ich steuerte den Küchentisch an und sagte: »Ich interessiere mich für diesen Fall, obwohl ich nicht weiß, was er bedeutet. Aber nach Ihnen ist jemand in den Windbruch gekommen und hat mich niedergeschlagen. Ich war der Mann, der den Toten fand. Danach sind Sie aufgetaucht, danach der Mann, der mich niederschlug. Und wir wissen noch immer nicht, wer der Tote ist. Der Grund, weshalb ich hier bin, ist also einfach: Wer ist der Tote, und was verbindet Sie mit ihm?«
    Sie setzte sich auf den Stuhl mir gegenüber und sagte tonlos: »Mich verbindet absolut nichts mit diesem Toten. Wollen Sie einen Tee?«
    »Kriege ich auch einen, wenn ich sage, dass ich Ihnen nicht glaube?«
    Sie lächelte flüchtig. »Der Gast ist heilig. Wieso kommen Sie eigentlich auf die Idee, dass ich etwas mit diesem Toten zu tun habe? Nur, weil ich dort spazierenging?«
    »Sie sind nicht spazierengegangen. Sie sind den Waldweg bis zum Windbruch entlanggefahren. Sie haben gehalten, Sie wollten sogar in den Windbruch hinein. Aber Sie haben es nicht geschafft, durch das Chaos der zertrümmerten Bäume zu kommen. Dann sind Sie in Ihren Wagen gestiegen und wieder fortgefahren.«
    »Du lieber Himmel«, meinte sie kühl, »war da ein Spanner?«
    »Nein, nur ein Waldarbeiter. Sagen Sie mir, was Sie dort wollten?«
    »Es ist ganz einfach«, sagte sie. »Als das Bild des unbekannten Toten in der Zeitung abgebildet war, bin ich sicher gewesen, dass ich diesen Mann kenne, irgendwo gesehen habe. Aber dann stellte sich heraus, dass ich nur einen Mann gekannt habe, der ähnlich aussah. Und ich wollte die Stelle sehen, an der er gestorben ist. Das ist alles.«
    Ich glaubte ihr kein Wort, und sie spürte es. Ich fragte: »Was war denn das für ein Mann?«
    »Ein Bekannter einer Bekannten«, sagte sie, und ihren Worten war anzumerken, dass sie nicht gewillt war, weitere Auskünfte zu geben.
    »Cut«, sagte ich, obwohl nichts gut war. »Leben Sie hier eigentlich allein?«
    »Ja«, antwortete sie. »Gott sei Dank.« Sie stand auf und sah mich ein wenig so an wie eine Fliege, die man verscheuchen muss.
    Ich gab ihr meine Visitenkarte und bat: »Falls Sie auch niedergeschlagen werden oder irgendetwas in der Art, können Sie mich anrufen.« Ich drehte mich um und ging; sie kam nicht einmal hinterher, um die Tür hinter mir zu schließen. Kein Zweifel, ich hatte es mit einem ziemlich verlogenen Schätzchen zu tun.
    Recht bedrückt fuhr ich nach Hause und wurde in der Haustür von einer strahlenden Anni empfangen. »Dein Problem hat sich erledigt«, verkündete

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