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Der letzte Agent

Der letzte Agent

Titel: Der letzte Agent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Bündel herum, das hinter einem niedrigen Eichenbusch lag. Sie machten allesamt einen melancholischen Eindruck. Ich hob die Hand, hielt an und sagte forsch: »Sie haben nichts dagegen, dass ich hier durch muss?«
    »Nein«, sagte einer von ihnen, ein Mann, der so griesgrämig aussah, als habe er Magengeschwüre.
    »Was haben Sie denn da?«, fragte ich und stieg aus.
    »Einen Toten. Diesmal wenigstens mit Papieren«, sagte ein kugeliger Dicker in grauem Zweireiher. Dann starrte er ängstlich auf seine Schuhe, weil er sie wahrscheinlich dreckig gemacht hatte. Er versuchte, sie an einem Grasbüschel sauber zu putzen. »Sind Sie heute Morgen auch hier durchgekommen?«
    »Nein«, sagte ich.
    Der Tote hinter der Krüppeleiche lag auf dem Rücken. Er war ein großer, athletisch gebauter Mann, nicht älter als vielleicht vierzig Jahre. Sein weißgraues Gesicht war vollkommen verzerrt in grellem Schmerz und ungläubigem Staunen.
    »Wie der im Windbruch«, sagte ich.
    Der Schuss hatte den Mann tief in den Unterleib getroffen. Das aufquellende Plastikmaterial hatte die Hose gesprengt. Es sah widerwärtig und obszön aus.
    »Was heißt das?«, fragte der Dicke misstrauisch. »Haben Sie den im Windbruch von Hillesheim auch gesehen?«
    »Ja, natürlich«, sagte ich.
    »Der Herr arbeitet für die Forstbehörde«, erklärte der magere Magenkranke. »Er wird das schon beruflich erfahren haben.«
    »Das ist es eigentlich nicht«, sagte ich gemütlich. »Den im Windbruch habe ich gefunden.« Ich holte die Nikon aus der Tasche und fotografierte den Toten.
    »Dann sind Sie der Baumeister?«, fragte der Dicke schrill. »Fotografieren verboten. Und darüber zu schreiben ist auch verboten!«
    »Ich habe bis jetzt kein Wort geschrieben«, sagte ich freundlich. »Und solange ich nicht mehr weiß, kann ich auch nicht schreiben.« Ich fotografierte den Toten weiter, und der Hagere sagte erschreckt: »Lassen Sie das doch, um Gottes willen!«
    »Nur fürs Archiv«, erklärte ich und machte mich auf den Rückzug.
    »Moment mal«, protestierte der Dicke scharf, »wieso fahren Sie das Schild Jagdschutz mit sich herum?«
    »Weil wir hier im Sommer darauf achten müssen, dass dumme Touristen keine Feuerchen machen«, erklärte ich. Ich setzte mich in mein Auto und rumpelte den Waldweg weiter hoch, während sie mir nachsahen und offenkundig keine Vorstellung davon hatten, was sie von mir halten sollten.
    Es war, wie ich gedacht hatte: Auf der Kuppe des Hügels neigte sich der Waldweg in scharfen Schleifen ins Tal. Und unten, vierhundert Meter weiter, lag der kleine alte Bauernhof, in dem Clara Gütt ihre Ferienwohnung hatte. Ich ließ den Wagen langsam hinabrollen und bereitete mich auf diese Frau vor. Diesmal wollte ich nicht hinnehmen, dass sie von alledem nichts wusste, nie gehört hatte, zufällig hineingeraten war. Ich war wütend und sauer und hätte nicht einmal sagen können, auf wen.
    Ich parkte auf der Straße und schellte bei ihr. Dabei beobachtete ich eine Gruppe älterer Männer, die offensichtlich über die Leiche im Wald sprachen, weil einer von ihnen immer wieder den Waldhang hinaufdeutete.
    Sie öffnete die Tür und sagte ohne Einleitung seltsam friedlich: »Sie kommen eher, als ich Sie erwartet habe. Ich dachte: Er kommt morgen.«
    »Ich möchte noch einmal versuchen, mit Ihnen zu sprechen.«
    »Sie sind sauer auf mich, nicht wahr?«
    »Man kann es so nennen. Kochen Sie uns einen Tee oder einen Kaffee?«
    Sie nickte, drehte sich herum und ging vor mir her die Treppe hinauf. Diesmal trug sie einen sehr bunten Flickenrock, und sie hatte hübsche Beine und machte weit ausgreifende Schritte wie eine Leichtathletin.
    »Kaffee oder Tee?«
    »Dann Tee, bitte. Was wissen Sie nun über den Toten hinter Ihrem Haus?«
    Sie drehte sich zur Kochplatte herum und murmelte fast unhörbar: »Den kenne ich. Der war ziemlich sicher auf dem Weg zu mir.«
    Ich sagte höflicherweise »aha« und schwieg dann, weil mir nichts Gescheites einfiel.
    »Ich glaube, ich muss das erklären«, sagte sie endlich und fummelte mit einem kleinen Löffel und einer Teetüte herum. »Wie haben Sie denn davon erfahren?«
    »Der alte Niklas in Mirbach sagte es mir. Was wollte der Tote bei Ihnen?«
    Sie drehte sich zu mir herum und lächelte mager. »Schutz wollte er wohl.«
    »Schutz? Schutz, wovor?«
    »Vor dem Tod, denke ich, oder?«
    »Hätten Sie ihn denn schützen können?«
    Sie sah auf den Boden und schüttelte den Kopf. »Wohl kaum.«
    »Wieso kam er auf die Idee,

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