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Der letzte Agent

Der letzte Agent

Titel: Der letzte Agent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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einige von ihnen schlagen sich vergnügt auf die Schenkel.
    Das Dorf verfügt über zwei der wunderlichsten Bauten, die man auf deutschem Boden finden kann. Das eine ist die so genannte Erlöserkapelle, die nachts wunderbar angestrahlt als eine Art Disney-Insel in den Wäldern der Eifel schwimmt. Das andere Gebäude ist eine Burgruine – beide wurden von ein und demselben Mann gebaut.
    Mirbach heißt Mirbach, weil dort das Geschlecht derer von Mirbach hauste. Allerdings besaßen sie dort nur zwei Bauernhöfe, die sie bereits 1559 verkauften. Sie verließen die Eifel. 1902 nun baute der Oberhofmeister der späteren Kaiserin Auguste Viktoria, Ernst von Mirbach, im Dorf seiner Ahnen die Erlöserkapelle, einen Wust an goldglänzenden Mosaiken, figuralen und ornamentalen Darstellungen, Säulen, Kapitellen, Rundbogenarkaden, umlaufenden Friesen und vielem mehr, kurz allem, was die Romantik für gut, angebracht und teuer hielt. Wenn man im Portal dieser schier unglaublichen Anhäufung steht, starrt man auf die Burgruine, die Ernst von Mirbach gleich mitbauen ließ. Ursprünglich war es ein Steinhaufen, bei dem man nicht genau wusste, was er einmal war. Aber der von Mirbach ließ sich von niemandem ausreden, dass es »der Stammsitz meiner Ahnen« sei, und er ließ von einem rührigen Bautrupp in den benachbarten Burgruinen (die echt sind) einiges an gutem Zubehör besorgen, um es in Mirbach zu einer eindrucksvollen Ruine zusammenzubauen. Touristen finden das Arrangement einfach toll.
    Abseits dieser phantastischen Steinsammlung steht der Hof des Bauern Niklas. Niklas ist für seine Listigkeit berühmt; mit seinem harmlosen Grinsen trieb er selbst schon Bankbosse zur Verzweiflung. Ich klopfte gegen die Tür, weil Niklas von Klingeln nichts hält. Da stand er mit seinem von Wind und Wetter und einem langen Leben gegerbten Gesicht und sagte erleichtert: »Ach, du bist es nur.« Also hatten sie ihn zumindest nicht dabehalten.
    »Hattest du erwartet, dass dich die Herren vom Bundeskriminalamt noch einmal holen kommen?«
    Er war ein schmaler, leicht gebückter Mann, sicherlich älter als fünfundsiebzig Jahre, und er hatte sich die Eigenart angewöhnt, immer leicht von unten nach oben zu gucken, was täuschenderweise den Eindruck vermittelte, er sei scheu und hilflos.
    Er antwortete nicht, er lächelte nur, hatte pure Belustigung in seinen klaren blauen Augen und sagte freundlich: »Kumm herinn!« Er schlurfte vor mir her in die Küche und hockte sich an den Tisch. »Wenn du einen Kaffee willst, musst du dir eine Tasse aus dem Schrank nehmen.« Er kurbelte sich eine Zigarette mit einer kleinen Maschine, zündete sie an und behielt sie zwischen den Lippen. Die Zigarette saß wie festgewachsen, und er würde sie nicht eher aus dem Mund nehmen, bis sie Millimeter vor den Lippen ausging. Niklas ohne Zigarette im Mund war nicht vorstellbar.
    Ich nahm mir eine Tasse, goss sie voll und setzte mich. Ehe ich vorsichtig die erste Frage stellen konnte, murmelte er: »Du musst dir mal vorstellen, dass diese Kameraden von den Geheimen ihr Geld damit verdienen, dass sie dich in ein Auto laden, zu sich ins Büro fahren und dir dann so verrückte Fragen stellen, dass du selbst gar nicht darauf kommen würdest. Stelle dir vor, dafür werden die bezahlt, mit meinen Steuergeldern!« Er schüttelte den Kopf und grinste vor sich hin. »Und die werden ja nicht schlecht bezahlt. Da war einer von denen, so ein Glatzkopf – du lieber Himmel, der muss sich irgendwie für oberschlau halten. Der sagte: ›Also wir wissen, dass du die Leiche transportiert hast. Wir wissen eben nur nicht, warum. Und weil du ein netter Kerl bist, musst du nur sagen, warum du das gemacht hast, und dann kannst du sofort nach Hause.‹« Er prustete los vor Vergnügen und gleichzeitiger Empörung.
    »Und was hast du geantwortet?«
    »Was soll man da antworten? Ich habe nur dauernd ›ach ja?‹ gesagt, dauernd ›ach ja?‹«
    »Was sollst du denn genau gemacht haben?«
    »Also: Ich habe diese männliche Leiche in meinen Kofferraum geladen und zu euch da oben in den Windbruch geschleppt!«
    »Allein?«
    »Na ja, das wussten sie nicht so genau. Ich habe nur gesagt: ›Wenn Sie meinen, dass es so war, kann ich Sie nicht davon abhalten.‹«
    »Und wie ging das weiter?«
    »Na ja, ich habe sie nur gefragt, wie ich denn an die Leiche gekommen sein soll. Ich habe gesagt: ›Also, es war so, die Leiche kam draußen vorbeispaziert, ich habe sie geschnappt und in meinen Kofferraum

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