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Der letzte Agent

Der letzte Agent

Titel: Der letzte Agent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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muss?«
    »Dauernd«, sagte sie. »Da war ich auch schon sauer. Weil ich dachte, was will die alte Schabracke denn dauernd von meinem Harry? Dauernd irgendwelche Aufträge. Manchmal raste er mir nix dir nix zu so einem blöden Volker nach Wien. Dann wieder zu demselben Volker nach Stockholm. Er schleppte irgendwelche Zettel mit, sonst nix. Er wurde gut bezahlt dafür. Ich war richtig sauer, dass er mich nicht mitnahm. Aber er sagte: ›Die Bedingung ist, dass ich alleine und schnell fahre. Zu Kanter, zu Sauter, zum Außenministerium in Bonn.‹ Ich sage, was machst du denn da? Und er sagt: ›Weiß ich doch nicht. Ich muss nur irgendeinem Bonzen einen Brief geben. Nicht beim Portier abgeben, sondern persönlich in die Hand drücken.‹« Jetzt wurde sie ganz vertraulich. »Einmal hatte er auf so einer Tour einen Unfall. Also, er war gar nicht schuld, da ist einer bei Gelb an der Kreuzung voll durchgefahren. Harry hatte einen dicken braunen Umschlag nach Bonn zu bringen. Und er ist auf dem Asphalt voll auf die Schnauze gefallen, und der Umschlag in der Lederjacke ist auf dem Asphalt völlig aufgescheuert. Nanu, denkt Harry ganz perplex«, sie lachte richtig amüsiert »da flattern doch tatsächlich Geldscheine um ihn rum. Tausender. Genau sechzig Stück.«
    »Wahnsinn«, murmelte ich verwundert. »Und was hat er gemacht, dein Harry?«
    »Na ja, er hat die Kohle eingesammelt. Dann kamen die Bullen und so. Später ist er dann in ein Bürogeschäft gegangen, hat einen neuen Umschlag gekauft, das Geld reingetan und überbracht. Der Bonze hat ihm den Brief aus der Hand genommen und gesagt: ›Aha, der Bauplan von Frau Dr. Grenzow! Vielen Dank, lieber Mann! Und hier haben Sie eine Marke, Sie können sich in der Kantine ein Bier geben lassen!‹ Mann, haben wir gelacht.«
    »Er scheint ein guter Typ zu sein, dein Harry. Wie ist er denn eigentlich an diese Dr. Grenzow gekommen?«
    »Das weiß ich selbst nicht so genau. Er hatte Verhandlung wegen irgendeiner Einbruchsache. Oder warte mal, nein, er war Zeuge. Und da tauchte sie auf und sagte, das wäre eine Vertrauensposition. Ob er nicht Lust hätte? Da hat er es eben gemacht.«
    »Die Grenzow ist meiner Meinung nach manchmal ja echt heavy. Hat sie Harry jemals mit seinen Vorstrafen erpresst oder so?«
    »Nein, davon hat Harry nichts gesagt. Da ist er auch unheimlich empfindlich. Da sagt er immer: ›Wenn mir mit einem so was passiert, blase ich den auf und lass ihn platzen.‹ Sagt er.«
    »Er bläst ihn auf und lässt ihn platzen, aha. Und was heißt das?«
    »Das weiß ich nicht, aber ich hab’ mal erlebt, dass ein Macker an mich ranwollte. Lieber Himmel, hat er den durch den Rinnstein gezogen.«
    »Kann er eigentlich auch schießen, dein Harry?«
    Sofort wurde sie wieder misstrauisch.
    »Heh, was willst du? Ich denke, du bist hinter der Grenzow her?«
    Ich lachte beruhigend.
    »Bin ich ja auch. Aber was du da erzählst, sieht ja doch so aus, als würde die Grenzow ihn zu allem möglichen benutzen, oder?«
    Ganz war sie immer noch nicht überzeugt. Doch schließlich redete sie weiter: »Ach so. Na ja, so was hat er noch nicht erzählt. Er war bloß mal mit Kanter jagen, der hat wohl ’ne eigene Jagd in der Eifel. Meist redet er sowieso bloß von seiner Chefin. Er sagt, die Grenzow kann alles, wenn sie will. Wirklich alles. Er sagt, für die Frau gibt es kein Hindernis, absolut kein einziges Hindernis. Er ist ja auch der Babysitter bei der Grenzow.«
    »Was, bitte, ist denn ein Babysitter?«
    »Na ja, wenn sie zum Beispiel nach Wien musste, flog sie natürlich. Also sie setzt sich hier in Lohhausen in ein Flugzeug, und Harry setzt sich auf die Maschine …«
    »Auf die schwarze?«
    »Nein, nein, auf die Normalausgabe, und er rast also auch runter. Und dann blieb er immer um sie herum, weil sie sagte, manchmal lebe sie gefährlich. Ich hab’ dann Harry auch gefragt, warum sie denn gefährlich lebt, wo sie doch nur Pappschachteln für Parfüms und Seifenpulver und all so ein Zeugs macht. Aber sie hat ja, wie Harry sagt, noch diesen anderen Job. Sie ging ja auch nie ohne Waffe. Und …«
    Mit einem wissenden Blick sah sie mich an. Zwei Dinge waren mir völlig klar: Sie glaubte mir kein Wort von meiner Story, und sie würde alles tun, um Vera Grenzow in die Pfanne zu hauen. Jedenfalls hatte sie es faustdick hinter den Ohren. Schließlich fuhr sie fort: »Na, das kannst du den Harry ja besser alles selber fragen. Ich muss zurück ins ›Opossum‹, meine Kunden warten nicht,

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