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Der letzte Agent

Der letzte Agent

Titel: Der letzte Agent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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seinen Verpflichtungen nach, uns geht es gut. Er versorgt mich großartig. Aber er mischt weiter in der Politik mit, und das wird erst aufhören, wenn er irgendwo in einer Kneipe einen Herzinfarkt kriegt, oder was weiß ich.« Sie sah mich an, blinzelte, schloss die Augen und setzte hinzu: »Die ganze furchtbare Geschichte, die Sie erzählen, klingt so, als könnte sie eine Geschichte von Sven sein. Das muss ich zugeben. Er hat immer schon einen Hang zu Geheimdiensten gehabt. Bei aller Arbeit hatte er es immer mit diesen Geheimen. Er war so als würde ihm seine normale Arbeit nicht reichen. Er suchte den Kick, wissen Sie, er fuhrwerkte andauernd mit irgendwelchen Geheimdienstmenschen herum. Das machte ihm Spaß, das war das Salz in seiner Suppe.«
    »Was ist mit diesem Dr. Kanter, diesem Industrieboss?«
    »Das ist so die übliche Verbindung von Wirtschaft und Politik. Das ist ein parasitäres Verhältnis. Jeder braucht jeden, und jeder benutzt jeden, und jeder weiß, dass er benutzt wird. Mein Mann hat zum Beispiel dieses Haus hier für mich und die Kinder gekauft. Der frühere Besitzer ist eben jener Dr. Helmut Kanter, den ich übrigens nicht ausstehen kann, weil er mir irgendwie glitschig vorkommt. Aber dieser Hauskauf war normal, alles ist irgendwie normal und gleichzeitig immer die Ausnutzung von Verbindungen, Kreditmöglichkeiten, Sonderkonditionen. Es gibt immer irgendwelche Banker, die alles mitmachen, irgendwelche Kreuz- und Querverbindungen. Mein Mann kann ja nicht mal ein Auto auf die ganz normale Tour kaufen. Da ist immer einer, der das Auto zu besonders günstigen Konditionen verkauft, weil er diesem oder jenem einen Gefallen tun muss, und so weiter und so fort in Ewigkeit, Amen.«
    »Waren denn Leute von den Geheimdiensten jemals in Ihrem Haus?«
    »Das kam vor, wobei ich meist gar nicht wusste, dass die vom Geheimdienst waren.«
    Sie begann unterdrückt zu lachen. »Ich glaube, es ist das Beste, ich gebe Ihnen mal ein Beispiel. Eines Tages, das war so 1987 oder 1988, hatte er abends Besuch. Er hatte mir gesagt, er würde mit einem Herrn in seinem Büro im Dachgeschoss zusammenkommen, und ich müsste unter allen Umständen dafür sorgen, dass ich das Telefon, den Anrufbeantworter, das Radio und das Tonbandgerät aus dem Raum entferne. Ich hatte mich schon an eine Menge komische Sachen gewöhnt und achtete nicht weiter darauf. Ich habe das dann aber vergessen. Also, die kamen zusammen mit meinem Mann, gingen auf den Dachboden und kamen nach ein paar Minuten wieder runter. Mein Mann sagte säuerlich: ›Der Raum ist ja nicht sauber!‹ Ich habe ihn angeguckt, als hätte er nicht alle Tassen im Schrank. Sie sind dann in den Keller gegangen, in dem meine selbstgemachte Marmelade auf einem Regal stand. Da haben sie bei geschlossenem Fenster miteinander geredet. Aber es gab keine Sitzgelegenheiten, also habe ich ihnen Stühle angeboten. Aber sie wollten keine. Ob Sie es glauben oder nicht, die haben zu viert vier Stunden in diesem Keller gestanden und sich irgendetwas erzählt.« Sie schüttelte den Kopf und lachte hell auf.
    »Können Sie sich daran erinnern, was vorher los war? Und können Sie sich daran erinnern, von welchem Geheimdienst diese Leute waren?«
    »Also, ich denke, es war der Bundesnachrichtendienst. Sven war vorher mit seinem Kumpel Dr. Kanter in Wien gewesen. Vierzehn Tage lang. Und sie hatten, das weiß ich sicher, irgendwelche Wirtschaftsbosse aus dem Ostblock getroffen. Sven war damals ganz begeistert von den Geschäften, die sie angeleiert hatten.«
    »Wissen Sie, ob unter den östlichen Wirtschaftsbossen, die sie trafen, auch ein Doktor Bleibe aus Chemnitz war?«
    »Aber ja. Das weiß ich deshalb, weil Sven irgendwann aus dem Keller heraufkam und ganz nervös nach einer kleinen Tonbandkassette suchte, die Dr. Bleibe ihm in Wien gegeben hatte. Er fand sie und verschwand wieder im Keller.«
    »Kamen solche Treffen häufig vor?«
    »In unserem Haus nicht. Vielleicht zwei-, dreimal im Jahr. Aber ich weiß, dass Sven diese Leute relativ oft traf. Glauben Sie denn, dass er irgendetwas Unrechtes angestellt hat?«
    »Nein, das glaube ich nicht, dazu gibt es bis jetzt keinen Anlass. Ich glaube eher, dass Ihr Mann von allen möglichen Seiten ausgenutzt wird. Wahrscheinlich ist er der ideale Wasserträger.«
    »Was ist das?«
    »Nun, das ist jemand, der Botschaften übermittelt, Akten transportiert, immer genau die Hälfte weiß und ständig eingetrichtert bekommt, dass das, was er tut, höchst

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