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Der Letzte Askanier

Der Letzte Askanier

Titel: Der Letzte Askanier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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den Vorhang zur Seite und ließ die Blicke über das Lager und die ganze Gegend schweifen, die im milden Mondlicht schimmerte. Die Feuer zwischen den Zelten und Hütten waren niedergebrannt und schwelten nur noch. Die Kriegslieder erstarben. Nur ab und zu hörte man das Stampfen der Pferde und die schweren Schritte der Wachen. Ansonsten war es still. Das Zelt stand auf einer Anhöhe, und er überschaute die weite, flache Gegend mit Büschen, Moor und Feldern und auch mal Kiefernwäldern, an deren Rändern der helle Sand zutage lag. Es war an sich kein armes Land, nur mußte man die Sümpfe trockenlegen, Straßen und Kanäle bauen. Und Ziegel aus Lehm brennen, damit die Städte wachsen und zur Zierde seines Reiches werden konnten. Karl brauchte Brandenburg, um den Zugang zur Ostsee zu gewinnen und sich über die Habsburger, die Wittelsbacher und all die kleineren Fürsten zu erheben. Ohne eine starke Hausmacht war seine Kaiserkrone, hatte er sie endlich, wenig wert. Im Abendland kam das Neue von der Peripherie des Reiches, und das war seine große Chance. Nicht nur er mit Böhmen und Mähren war ein Beispiel dafür, auch das Erstarken Englands und Dänemarks sprach dafür, ebenso die Nachrichten aus Polen, Ungarn und vom Deutschen Ritterorden. Die alten oberitalienischen und französischen Zentren verloren ihre magische Kraft, und sein Traum war es, Prag zum Mittelpunkt des deutschen Kaisertums zu machen. Wollte er sein Reich errichten, mußte er in großem Stil planen, versprengte Ländereien mußten verbunden werden, möglichst nicht mit Gewalt, sondern durch Einheirat. Die Menschen zogen umher und suchten neue Plätze zum Leben – Burgen und Städte waren zu errichten.
    Karl formulierte im Geiste den Satz, den er in sein Tagebuch schreiben wollte, wenn sie ihn zum Kaiser krönen würden: »Der Friede waltende König, der in seiner unendlichen Milde das Weltall lenkt, hat unter anderen Wundern seiner Göttlichkeit auch uns, wiewohl unwürdiger Verdienste, in der gewohnten Fülle seiner Gnaden zum Thron des Reiches nachsichtig berufen.«
    Freidank schlich durch den dichten Wald, der sich südöstlich von Müncheberg erstreckte. In der Nähe von Heinersdorf, so hatten ihm die Bauern erzählt, hätte König Karl sein Lager aufgeschlagen, und er plane, der Mutter Gottes auf einer Anhöhe nahebei eine Kapelle zu stiften. Vielleicht konnte er sich da nützlich machen und ein paar kleine Münzen verdienen. Seit ihn die Zisterzienser aus Chorin verjagt hatten, ging es ihm schlecht. Ora et labora – das war nichts für ihn. Als Arbeitsmönch, als ein sogenannter Konverser, war man den Priestern und Betmönchen, die aus dem Adel stammten, auch nur ausgeliefert wie ein normaler Knecht einem Ritter. So war er ausgezogen, sein Glück woanders zu suchen – und war gescheitert dabei. Von Almosen lebte er, selten gab es mal ein wenig Geld für eine kleine Rede am Grabe eines Bauern. Und oft genug zog er hungrig durchs Land, lebte von Beeren, schlief im hohen Grase und stahl sich das eine oder andere in den Städten zusammen, immer in Gefahr, gehängt zu werden. Aber wenn er nach Heinersdorf wollte, mußte er ins offene Gelände hinaus.
    Das ging mal gerade eine halbe Stunde gut, dann sah er vier, fünf Reiter herangesprengt kommen. Das konnten Reisige aus Müncheberg sein, die ihn … Er wollte davonlaufen, wurde aber alsbald eingeholt.
    »Wie ein Hase kannst du ja laufen!« rief der Anführer der Truppe und kitzelte ihm mit der Schwertspitze am Hals. »Wollen mal sehen, ob du auch wie ein solcher schmeckst.«
    »Bitte nicht, ich bin zu alt und zäh!«
    Die Reiter brachen in Gelächter aus. Freidank hatte keine Mühe zu erkennen, daß es Buschräuber waren, die sich aber wohl Waldemars Truppe angeschlossen hatten.
    Der Anführer, den sie Coppekin riefen, ließ das Schwert ein wenig sinken. »Du willst zum Lager des Königs bei Heinersdorf hinten?«
    »Ja.«
    »Gut. Diese Münzen hier sollen dir gehören, wenn du mir einen kleinen Gefallen erweist …« Er zog einen Beutel aus dem Wams und hielt ihn Freidank klimpernd vor die Nase.
    Der entlaufene Mönch bekam große Augen. »Soll ich für dein Seelenheil beten?«
    »Nein, eher für deines!« lachte Coppekin.
    »Wieso?«
    »Nun, im Lager Karls befindet sich ein Mann, der seinen Eid gebrochen und meinen Bruder, der auch seiner war, erschlagen hat. Und da ihr Mönche euch ja trefflich mit Giften auskennt, ist mir soeben eine Idee gekommen …« Er warf Freidank den Beutel

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