Der Letzte Askanier
Wersowetz, »das heißt, sich ihre Ritter schlagen und erschlagen. Noch besser aber wäre es, wenn unsere Ritter mitzögen gegen die Bayern.«
Karl reagierte konsequent. »Nein, wo der König ist, schweigt die Fehde, und das Kriegsgeschrei verstummt. Wir bleiben im Lager hier!«
Wersowetz fügte sich. »Nun gut, warten wir auf Waldemar, den Geist, der aus der Gruft zu Chorin gestiegen ist.«
»Kennst du den Mann?« fragte Karl.
»Den Mann noch nicht, aber die Frau, die ihn geschaffen hat. Eben war sie hier: Matilde.«
Karl seufzte. »Schön ist sie und ungemein gefährlich.«
»Nicht für Euch.«
»Hüte dich vor einer Frau mit solchen Leidenschaften. Mal will sie in ihrer Rache den vernichten, der sie verlassen hat, dann wieder bricht die alte Liebe auf, das Mitleid greift ihr ans Herz – und sie hat nichts anderes mehr im Sinn, als den zu retten, den sie eben noch vernichten wollte.«
»Mir scheint, sie hat Waldemar erschaffen, um Ludwig zu stürzen.«
»… und könnte ihn ebensogut benützen, um mit ihm an Ludwigs Seite gegen uns zu ziehen.«
»Warten wir's ab.« Karl wollte allein sein und schickte seinen Vertrauten aus dem Zelt. Was er jetzt tat, brauchten auch dessen Augen nicht zu schauen. Er kniete sich vor seinen grobgezimmerten Tisch, auf dem ein goldenes Kruzifix stand, und richtete den Blick zum Himmel: »Herr, hast du mich wahrlich auserwählt?«
Ja, mein Sohn, denn bedenke, was dir widerfahren ist.
Das nun zog an Karl in lebendigen Bildern vorüber, als wäre es erst gestern gewesen, nein, als durchlebte er es just in diesem Augenblick.
Elbogen in Böhmen – 1319. Karl, nicht einmal vier Jahre alt, spielt mit seinen Geschwistern in der Burg Elbogen, als sein Vater hoch zu Roß in den Burghof sprengt und ihn zu sich in den Sattel reißt. Er hat sich mit seiner Frau zerstritten und will den Kronprinzen, die Trumpfkarte im Spiel um die Macht, auf seiner Seite haben. Karl sträubt sich mit allen Kräften und schreit verzweifelt nach der Mutter. Er will durchaus zu ihr zurück, und sein Trotz wird so gewaltig, daß der Vater ihn zwei Monate lang in einen dunklen Kerker sperrt. Karl verweigert Speis und Trank – und überlebt.
Pavia – Sommer 1332. Die Messe ist zu Ende, und alles eilt zum Frühstück. Karl aber verspürt keinen Hunger auf die Speisen, sondern auf die Worte des Herrn. So bittet er den Priester, noch einmal das Vaterunser mit ihm zu beten und ihn aufzuklären über den Sinn des Satzes im zweiten Paulusbrief an die Korinther: Denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark. Da sie des längeren darüber reden, kommt er spät zur Tafel. Sein Gefolge befindet sich in heller Aufregung, die Esser leiden unter großem Unwohlsein und winden sich in Krämpfen. Ein Unbekannter will fliehen, wird gefaßt und gesteht unter der Folter, daß er den Speisen Gift beigemischt hatte.
Tarenzo – August 1333. Ein Engel entführt ihn des Nachts und schleppt ihn an den Haaren hoch über ein Schlachtfeld hinweg. Er sieht, wie ein anderer Engel den schwer gepanzerten Grafen von Vienne mit einem Flammenschwert richtet, und hört die himmlischen Stimmen: »Siehe, so straft der Herr die Ausschweifungen und Laster. Hüte dich davor, zu leben wie er!« Am nächsten Morgen erreicht ihn die Nachricht, daß der Graf von Vienne in der Tat gestorben ist.
Aquileja – Frühjahr 1337. Er liegt in einer alten Fischerbarke unter einem schmutzigen Fischernetz versteckt, und die Venezianer jagen ihn. Ohne Geld und Gefolge, ja, ohne jedes Unterpfand, daß er der Sohn König Johanns ist und Markgraf von Mähren. Er versucht, den Patriarchen von Aquileja von seiner Echtheit zu überzeugen – und nur das kann ihn retten. Man verlacht und beschimpft ihn als Vagabunden und Räuber. Doch der alte Mann läßt sich überzeugen.
Crécy – August 1346. Sein blinder Vater ist eben auf dem Schlachtfeld getötet worden. Die Pfeile aber, von denen Karl beim Rückzugsgefecht getroffen wird, sind so geschwächt, daß er sie wie Dornen herausziehen kann.
Karl starrte in die Flammen. Ja, die Feuer hatten ihn nicht verbrannt, nur gestählt. Mit sieben Jahren hatte ihn der Vater nach Frankreich geschickt, um ihn dort erziehen zu lassen. Er wiederholte seine Frage: »Herr, hast du mich wahrlich auserwählt?« Und die Antwort war so klar, daß es keinen Zweifel gab: Meine Hand wird dich stützen. Ich werde der Feind deiner Feinde sein, und mein Engel wird dich behüten.
Karl erhob sich, ging zum Ausgang des Zeltes, schlug
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